Überall wird von Nachhaltigkeit gesprochen – es ist einer dieser Begriffe, der seit einigen Jahren in aller Munde ist. Die meisten denken dabei zwangsläufig an das Klima – was natürlich legitim ist – doch was oft ausser Acht gelassen wird, ist, dass Nachhaltigkeit noch weit darüber hinaus geht.
Vor etwa zwei Wochen habe ich einen “News”-Artikel über ein neues Nachhaltigkeits-Programm namens Good Travel geschrieben. In diesem Beitrag ging es darum, dass eine Hotelkette in ausgewählten Hotels im pazifisch-asiatischen Raum verstärkt auf Aktivitäten setzen möchte, bei denen die lokale Bevölkerung mit einbezogen wird. Nachhaltigeres Reisen durch Interaktion mit den Einheimischen – so weit, so gut. Aber warum ist das eigentlich für die Nachhaltigkeitsziele wichtig? Und ist etwas wie das Good Travel Programm dabei wirklich zielführend?
Wie das Nutzen lokaler Angebote das eigene Reiseerlebnis verbessern kann
Wenn man sich schon einmal ganz grob mit dem Nachhaltigkeitsbegriff auseinandergesetzt hat, weiss man, dass häufig über ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit gesprochen wird. Doch alles miteinander in Einklang zu bringen, ist mitunter nicht so leicht. Eine gewisse Richtung, in die sich die jeweiligen Bereiche entwickeln sollten, zeigen einem die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen. Hier wurden 17 Ziele formuliert, die die Weltgemeinschaft bis zum Jahr 2030 erreicht haben soll. Einige beziehen sich dabei auch auf die sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit und machen deutlich, weshalb es ein so wichtiger Bereich ist. Keine Armut, kein Hunger, Arbeitsplätze und wirtschaftliches Wachstum sowie nachhaltige Städte und Gemeinschaften sind nur einige der Ziele und zeigen, welchen Stellenwert Entwicklungen in all diesen Bereichen haben. Doch was hat das ganze nun mit dem Reisen zu tun? Und wie kann man als Reisender dazu beitragen, dass gerade diese Punkte berücksichtigt werden?
Viele Orte, die man als Tourist besucht und mitunter die landschaftlich und kulturell schönsten Länder dieser Welt, liegen in Entwicklungsländern. Als Reisender bekommt man zwar einiges mit, ist aber oft wie in einer Blase unterwegs. Man nutzt – verständlicherweise – die Annehmlichkeiten der Unterkunft, ist vielleicht Teil einer organisierten Tour und schaut sich meistens nur die schönsten Plätze an. Macht man einen spontanen Ausflug in die Stadt, greifen viele gerne für einen kleinen Snack zwischendurch auf gut bekannte Kaffee-Ketten oder Imbisse zurück. Und so kommt es, dass man zwar eine Menge Geld ausgibt, bei den Menschen des Landes aber wenig ankommt.
Hier kommt nun die Einbeziehung der lokalen Bevölkerung mit ins Spiel – denn, damit sich langfristiges wirtschaftliches Wachstum vor Ort einstellen kann, welches im Umkehrschluss Armut, Hunger und andere Probleme bezwingen kann, müssen die Gastgebergemeinschaften auch von ihren Gästen profitieren können. Dafür ist es wichtig, dass Kleinstunternehmen – sei es ein Café, ein Restaurant, ein Handarbeitsladen oder ein lokaler Ausflugsanbieter – die Möglichkeit bekommen, am Markt teilzunehmen. Unabhängige Händler geben im Vergleich zu grossen Ketten etwa dreimal so viel an ihre Gemeinden zurück, da kein Teil der Gewinne ins Ausland abfliesst.
Es geht dabei aber nicht nur um die reine Wirtschaftlichkeit. Verschiedenste Studien haben unter anderem auch ergeben, dass Orte, an denen die Einwohner selbst etwas zu den Angeboten der Stadt beitragen und dadurch das Gefühl haben mitzubestimmen, deutlich höhere Zufriedenheitsraten aufzeigen. In diesem Zusammenhang fällt gerne die “Gleichung” Happy Locals = Happy Tourists, die darstellt, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit der Einheimischen und der Besucher gibt. Warum? Die meisten Besucher freuen sich am meisten über authentische Erlebnisse – solche, die sie nicht von zu Hause kennen. Und diese bekommt man nun einmal am besten präsentiert, wenn man “mittendrin” ist, die Angebote nutzt, die die Region bietet und sich somit vielleicht sogar in ein Gespräch verwickelt, in dem einem dann noch wahre Geheimtipps präsentiert werden.
Was bleibt von den grossen Programmen?
Bei Programmen wie dem eingangs erwähnten Good Travel wird den Gästen nun angeboten, etwa mit Kindern Kekse zu backen, abgelegene Dörfer zu besuchen und mit den Bewohnern zu interagieren oder an einer Essensausgabestelle mitzuhelfen. Sicherlich sind das alles keine schlechten Angebote, doch inwiefern man damit wirklich die lokale Bevölkerung unterstützt, erschliesst sich mir nicht ganz. Organisiert und abgerechnet wird das ganze ja schliesslich wieder über das Hotel – und ausserdem ist die Anzahl an Projekten sehr begrenzt. Die Angebote sind dabei auf die gut zahlenden Touristen zugeschnitten. Wer dann an einer solchen Aktivität teilnimmt, wird sich vielleicht nicht noch zu einer Teilnahme an einer weiteren – von einem individuellen Anbieter organisierten Aktion – entschliessen.
Hier sehe ich auch das grösste Problem. Nicht dass es solche Angebote gibt, sondern dass sie einem suggerieren, mit einer Teilnahme etwas sehr “Gutes” zu tun. Dabei wäre es vermutlich genau so gut – wenn nicht besser – einfach einen Tag mal nicht im Hotel Abend zu essen, sondern ein kleines inhabergeführtes Restaurant im Zentrum aufzusuchen, welches sich über Kundschaft freut oder statt der Tour des Reiseveranstalters auf einen Travel-Agent vor Ort zu vertrauen.
Fazit zum nachhaltigeren Reisen durch die Nutzung lokaler Angebote
Schlussendlich bleibt es natürlich jedem selbst überlassen, für welche Art von Aktivitäten oder Konsum man sich entscheidet. Wichtig ist nur, dass in der Nachhaltigkeitsdebatte auch ein solcher Aspekt Erwähnung findet. Denn während häufig das Reisen nur aufgrund des Fliegens verteufelt wird, ist es wichtig zu beachten, dass man, in dem man den Gastgebergemeinschaften etwas zurückgibt, auch einen grossen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung leistet – und gleichzeitig das eigene Reiseerlebnis noch spannender gestaltet.