In unserer Rubrik “On This Day In Aviation History” wagen wir einen Blick in die Vergangenheit und beleuchten die Meilensteine der zivilen Luftfahrt-Historie, aber auch die weniger erfreulichen Augenblicke.
Täglich berichten wir von den wichtigsten Nachrichten und neuesten Errungenschaften der zivilen Luftfahrt. Vor allem im vergangenen Jahr hat sich das Treiben am Himmel deutlich verändert. Flugzeuge, die gestern noch als die Zukunft galten, sind morgen bereits verschwunden. Eine der damals bekanntesten Fluggesellschaften – Swissair – existiert so heute nicht mehr, bleibt aber vor allem den Schweizern noch immer in Erinnerung. Wir wagen in der Rubrik “On This Day In Aviation History” einen Blick zurück zum tragischen Absturz des Swissair-Fluges 111, welcher sich am 2. September 1998 ereignete. Bis heute ist es der schwerste Zwischenfall einer Fluggesellschaft aus dem deutschsprachigen Raum.
Der 2. September 1998
Der 2. September 1998 dürfte wohl einer der tragischsten und schwärzesten Tage in der Geschichte der Swissair und der zivilen Luftfahrt im deutschsprachigen Raum gewesen sein. An diesem Tag, nur etwa 1,5 Stunden nach dem Start am New Yorker Flughafen John F. Kennedy, stürzte die McDonnell Douglas MD-11 ab. Alle 229 Personen am Bord kamen ums Leben, am Boden wurde glücklicherweise keine Person verletzt oder getötet, da das Flugzeug ins Wasser stürzte.
Die MD-11 ist die Nachfolgerin der DC-10, die heute in dieser Passagier-Variante nur noch selten zu erleben ist. Das Flugzeug mit der Kennung HB-IWF wurde im August 1991 neu an Swissair ausgeliefert. Bis zum Absturz hat das Flugzeug 36’041 Flugstunden absolviert. Ausgestattet war sie typischerweise mit drei Triebwerken von Pratt & Whittney sowie mit 241 Sitzplätzen, davon zwölf in der First, 49 in der Business und 180 in der Economy Class. Am 2. Septemer 1998 war das Flugzeug mit der Flugnummer 111 auf den Weg von New York nach Genf. Wir betrachten die Geschehnisse und Ursachen des Absturzes und was sich im Anschluss daran geändert hat.
Was war geschehen?
52 Minuten nach dem Start erreicht Swissair-Flug 111 die Reiseflughöhe – nahe der kanadischen Ostküste. Erste Anzeichen von Rauch und Brandgeruch werden im Cockpit registriert, in der Passagier-Kabine jedoch nicht. Kurze Zeit später meldet die Crew “Pan Pan” und leitet damit die Notlandung ein. Halifax wird als Flughafen vorgeschlagen, da der internationale Flughafen näherliegen würde als beispielsweise Boston in den Vereinigten Staaten von Amerika. Der Rauch verschwindet zwar zwischenzeitlich, die Zwischenlandung wird dennoch eingeleitet. Aus Vorsicht setzen die Piloten bereits Sauerstoffmasken auf. Den Passagieren wird lediglich mitgeteilt, dass es Probleme mit der Klimaanlage gäbe.
Das Flugzeug befindet sich zwar bereits auf Idealkurs auf die Landebahn, muss jedoch noch eine Schleife drehen, um die nötige Höhe zu verlieren und Treibstoff abzulassen. Die Piloten entscheiden sich, dies über dem Meer zu machen. Gleichzeitig leiten die Piloten die nötigen Schritte bei einem möglichen Brand ein – dabei wird unter anderem die Stromversorgung der Kabine beendet. Derweil wird der Rauch im Cockpit dichter und Feuer breitet sich aus. Mit nur sechs Minuten vom Flughafen entfernt werden Alarmtöne im Cockpit laut, in der Kabine bleibt es jedoch weiterhin ruhig und unaufgeregt.
Jegliche Brandbekämpfung im Cockpit verläuft erfolglos. Die Crew hat danach umgehend das Ablassen des Treibstoffs begonnen und gleichzeitig das Transpondersignal verloren. Langsam dringt der Rauch auch in die Kabine vor, während das Flugzeug weitere Runden über dem Meer dreht. Die Lotsen können den Flug nur noch am Radar beobachten, da mit dem fehlenden Transpondersignal auch der Funkkontakt verloren gegangen ist. Kurze Zeit später verschwand das Flugzeug gänzlich und stürzte letztlich im offenen Meer ab – neun Kilometer vor der kanadischen Küste. Überlebende konnten nicht geborgen werden.
Was war die Ursache?
Der Kanadischen Luftsicherheitsbehörde standen von Anfang an glücklicherweise viele Informationen bereits zur Verfügung. So wusste man, dass ein Brand wohl die Hauptursache für den Absturz war. Daher galt die grösste Aufmerksamkeit dem Fund der Brandursache. Trümmerteile konnten geborgen werden und neun Tage nach dem Absturz auch die beiden Flugschreiber. Die Daten der letzten sechs Minuten fehlten jedoch auf beiden. Zwei Millionen Trümmerteile konnten über mehrere Monate geborgen werden, was insgesamt 98 Prozent des gesamten Flugzeugs entsprach. Dabei fiel der Abschnitt zwischen Cockpit und der First Class besonders ins Auge, da nur hier Brandspuren entdeckt werden konnten.
Der Nachbau dieses Segments zeigte, dass sich der Brand über der Bordküche entwickelt haben muss. In diesem Hohlraum liegen Kabel und damit der Hauptteil der Elektronik. Rauchmelder gibt es dort nicht. Anhand der Aufnahmen konnte man feststellen, dass der Brandherd über dem Cockpit liegen musste. Kleine Kugeln, die Einschusslöcher hinterliessen, führten zunächst zur Annahme, dass es ein Anschlag hätte sein können. Später stellte sich heraus, dass es sich dabei um Bleistiftminen gehandelt haben muss, die aufgrund des Aufpralls durch die Kabine schossen.
Also fokussierte sich das Expertenteam auf die Kabel über dem Cockpit. Alle vorhandenen Kabel wurden auf Kurzschlüsse untersucht. Diese sorgen für einen kleinen Lichtbogen, die wiederum eine Kupferkugel hinterlassen. Davon hat man insgesamt 20 Kurzschlüsse gefunden. Welcher davon jedoch für den Brand verantwortlich war, konnte zunächst nicht festgestellt werden. Als einer der Ermittler von den Untersuchungen abgezogen wurde, konnte dieser jedoch beim Zusammenpacken einen Hinweis entdecken. Bei einem Kabel konnte er den vermeintlich verantwortlichen Kurzschluss feststellen. Dieser Kabelbaum wurde an der Stelle mit einer Schelle zusammengehalten, woran sich der Funke wohl entfachte. Diese Kabel waren für das Inflight-Entertainment-System verlegt worden, was wiederum unsachgemäss verbaut wurde. Der Brand wurde durch Material mit dem Namen MPET beschleunigt. Dieses Material wurde im gesamten Flugzeug verbaut.
Der Absturz hätte dennoch nicht vermieden werden können. Mit dem Abschalten der Klimaanlage wurde das Feuer in das Cockpit gelenkt. Die Flammen konnten sich dort dann ungehindert ausbreiten und nahezu alle Instrumente unbrauchbar machen. Lediglich der Vorwurf, dass die Piloten zu viel Zeit für die Notlandung verbraucht hätten, stand im Raum. Dass sich die Crew aber für das Ablassen des Treibstoffes entschieden haben, änderte am Ende nichts an der Situation. Das Flugzeug hätte ohnehin keinen Direktkurs auf die Landebahn wählen können, da das Flugzeug zu nah und dafür zu hoch war.
Unglücke mit der MD-11
Vor wenigen Tagen thematisierten wir bereits mit dem Erstflug die McDonnell Douglas DC-10, dem Vorgänger-Modell der MD-11. Auch die DC-10 hatte ihre Vorgeschichte. Heute fliegen nur noch wenige Flugzeuge des Modells, meist als Frachtflugzeuge in der Version MD-10. Dieses Flugzeug wurde mit den moderneren Triebwerken und dem gläsernen Cockpit der MD-11 nachgerüstet – daher der Name.
Tatsächlich wurden bereits vor dem Absturz mehrere Zwischenfälle mit dem Material registriert. Brände wurden durch das Material zwar befeuert, ein Absturz mit Todesfolge gab es bis zum 2. September 1998 aber nicht. Das Material wurde in insgesamt 700 Flugzeugen verbaut und im Anschluss daran aus allen Flugzeugen entfernt. Tatsächlich wurde MPET vorher auf seine Brennbarkeit getestet, jedoch freigegeben. Die Umstände für den Test waren jedoch realitätsfern.
Was ist aus Swissair geworden?
Nur wenige Jahre nach dem tragischen Absturz bei Halifax ging es mit Swissair zu Ende. Zwischen Oktober 2001 und März 2002 wurde die Fluggesellschaft liquidiert. Die nationale Fluggesellschaft der Schweiz war wegen der Insolvenz der Konzernmutter zusammengebrochen. Auf Basis der Regionalfluggesellschaft Crossair wurde aber eine neue Fluggesellschaft gegründet – die heute bekannte Swiss.
Als Nachfolger für die MD-11 beispielsweise wurden bereits Ende der 1990er-Jahre Airbus A330-200 und A340-600 bestellt. Flugzeuge, die so heute durchaus noch von Swiss betrieben werden. Gleiches gilt auch für das Streckennetz, welches in weiten Teilen von der Swiss übernommen wurde.
Eine eigene Allianz wollte die Swissair übrigens auch gründen. Der Gedanke dahinter war gewesen, die Fluggesellschaften mit finanziellen Beteiligungen an die Allianz zu binden. Das Projekt scheiterte, da Fluggesellschaften eher an losen Zusammenschlüssen interessiert waren. Die Swiss heute gehört der Star Alliance an – der grössten Luftfahrtallianz weltweit.
Der Absturz von Swissair-Flug 111 war übrigens nicht am Ende der Fluggesellschaft schuldig. Ganz im Gegenteil: Die Swissair wurde für ihr vorgehen gelobt. Transparenz und offene Kommunikation sowie der unbedingte Wille, den Fall ausführlich und schnell aufzuklären, standen im Mittelpunkt. Darüber hinaus stellte Swissair den Angehörigen Betreuer zur Verfügung, die so lange beschäftigt wurden, wie es von den Angehörigen gewünscht war.
Ein ganz besonderer Platz in der Geschichte
Wie schon in einem der vorherigen Fälle der Trans World Airlines, existierte die Swissair kurze Zeit nach dem Absturz nicht mehr. Die Airline war zum Aushängeschild der Nation geworden, scheiterte jedoch nicht an den Folgen des bisher tragischsten Absturzes der zivilen Luftfahrt des deutschsprachigen Raumes. Beim Unglück am 2. September 1998 haben 229 Menschen ihr Leben verloren. Sie bleiben unvergessen und erhalten damit einen Platz in der Rubrik “On This Day In Aviation History”.