Der US-amerikanische Flugzeugbauer Boeing hat bekannt gegeben, die Produktion ihres Langstreckenflugzeuges 787 Dreamliner in Everett nahe Seattle einstellen zu wollen. Die Pläne stossen dabei auf heftige Kritik.
Boeing bestätigte jüngst Medienberichte, wonach das Unternehmen die Produktion der 787 Dreamliner-Jets in Everett einstellen und die Montagelinie des Flugzeugs in Charleston (South Carolina) konsolidieren wird, wie unter anderem aero.de berichtet. Die Montagelinie in Everett wird nach Schätzung des Unternehmens voraussichtlich Mitte 2021 stillgelegt.
“Langfristigen Erfolg sicherstellen”
Die Entscheidung Boeings, die Produktion der 787 Dreamliner aus Everett bei Seattle abzuziehen fällt, während sich der Luft- und Raumfahrtriese weiterhin mit den verheerenden Auswirkungen von COVID-19 auf die Luftfahrtindustrie auseinandersetzen muss. Die Fluggesellschaften haben einen enormen Rückgang der Passagierzahlen erlebt und dementsprechend die Anschaffung neuer Flugzeuge eingeschränkt. Boeing erklärte, die Konsolidierung sei notwendig, da das Unternehmen die Produktion des Dreamliners von zehn auf sechs Flugzeuge pro Monat reduziere.
“Während unsere Kunden die beispiellose globale Pandemie überstehen, konsolidieren wir die 787-Produktion in South Carolina, um den langfristigen Erfolg des 787-Programms sicherzustellen”, sagte Stan Deal, Präsident und CEO von Boeing Commercial Airplanes. “Unser Team in Puget Sound wird sich weiterhin auf den effizienten Bau unserer 737-, 747-, 767- und 777-Flugzeugfamilien konzentrieren, und beide Standorte werden Boeing-Initiativen zur weiteren Verbesserung von Sicherheit, Qualität und operativer Exzellenz vorantreiben”, so Deal weiter. Boeing begann 2007 am Standort Everett im US-Bundesstaat Washington mit der Montage von 787-8 und 787-9-Jets. Das Flugzeug hat einen weitgehend aus Kohlefaserverbundwerkstoffen bestehenden Rumpf für eine bessere Treibstoffeffizienz.
Das Boeing-Werk in North Charleston wurde 2010 als zweite Endmontagelinie in Betrieb für den Dreamliner genommen. Für den Bau des größeren Modells 787-10 ist jedoch nur der Standort in North Charleston eingerichtet. Das Werk in Charleston weist außerdem niedrigere Arbeitskosten und niedrigere Gesamtproduktionskosten auf, was es Boeing ermöglichen wird, wettbewerbsfähiger und profitabler zu bleiben, wie die US-Amerikaner erklärten. Experten sagen, dass die Schließung der 787-Produktionslinie in Everett Boeing wahrscheinlich dazu zwingen wird, etwa 1’000 weitere Stellen zu streichen. Boeing hatte landesweit mehr als 70’000 Beschäftigte, bevor das Unternehmen im April bekannt gab, dass es 10 Prozent seiner Mitarbeiter entlassen müsse.
Washington nennt Pläne eine “Beleidigung”
Die Schließung der Everett-787-Produktionslinie kam nicht ganz unerwartet. Im Juli kündigte Boeing eine eingehende Studie über die Machbarkeit der Produktion von 787-Flugzeugen an einem einzigen Standort an. “Die Analyse bestätigte die Durchführbarkeit und die Effizienzgewinne durch die Konsolidierung, die es dem Unternehmen ermöglicht, Verbesserungen zu beschleunigen und Investitionen zielgerichtet zu tätigen, um die Kunden besser zu unterstützen”, so Sprecher des Unternehmens in einer Erklärung.
Der Bundesstaat Washington gewährte Boeing 2003 massive Steuererleichterungen – in Höhe von etwa 100 Millionen Dollar pro Jahr –, um das Unternehmen dazu zu bewegen, das Flugzeug im Bundesstaat zu montieren. Die Subventionen wurden Anfang dieses Jahres aufgehoben, nachdem die Welthandelsorganisation sie für illegal befunden hatte. Der Regierungschef von Washington, Jay Inslee, nannte die Entscheidung Boeings über die 787-Produktion “eine Beleidigung” und sagte, der Staat müsse die Steuervergünstigungen, die das Unternehmen weiterhin erhält, überprüfen, wie etwa The Seattle Times berichtet.
Gesetzgeber und Gewerkschaftsfunktionäre im Bundesstaat Washington sagten, es sei falsch von Boeing, die qualifizierten Mitarbeiter der Luft- und Raumfahrtindustrie, die im Bundesstaat an der 787 arbeiteten, im Stich zu lassen. “Wir glauben, dass Boeing einen Fehler macht”, sagte Ray Goforth, Executive Director der Society of Professional Engineering Employees in Aerospace (SPEEA), die Tausende von Ingenieuren, technischen Arbeitern und Piloten vertritt. Der demokratische US-Abgeordnete Rick Larsen, zu dessen Bezirk Everett gehört, sagte, er werde dafür kämpfen, die 787-Produktion wieder nach Washington zurückzubringen, sobald sich der Flugverkehr wieder erholt.
Fazit zur Einstellung der 787-Produktion in Everett
Boeing befindet sich weiterhin tief in der Krise und diese könnte durchaus noch schlimmer ausfallen, wenn sich der US-amerikanische Flugzeugbauer nicht stetig auf der Suche nach neuen Wegen zur Reduzierung der laufenden Kosten wäre. Dadurch wurden und müssen immer wieder große Opfer erbracht werden – wie nun in Everett, mit der Verlegung der 787-Produktion nach South Carolina. Dennoch sind auch die Argumente der Kritiker nicht von der Hand zu weisen und so bleibt es letztlich fraglich, ob dies der richtige Schritt ist.
