Jetzt hat es auch Virgin Atlantic getroffen. Die britische Fluggesellschaft hat einen Antrag auf Insolvenz nach Chapter 15 in den USA eingereicht – die Meldung ist allerdings weniger gravierend, als man auf den ersten Blick denken mag.
Illiquidität ist in der Luftfahrtbranche heutzutage keine Seltenheit mehr. Die gegenwärtige andauernde Corona-Krise bedroht aktuell einige Fluggesellschaften, welche nach und nach Insolvenz beantragen müssen. Gerade wenige Monate zuvor ist etwa Virgin Australia, eine weitere Airline der britischen Virgin Group, ebenfalls in die Insolvenz musste. Nun trifft es auch die europäische Virgin Fluggesellschaft, die allerdings Insolvenz nach Chapter 15 in den USA eingeleitet hat – das Verfahren ist nicht mit einer deutschen Insolvenz vergleichbar und soll vielmehr die aktuellen Rekapitalisierungsmassnahmen der Airline unterstützen.
Virgin Atlantic Insolvenz ist ein geplanter Schritt
Als zweitgrösste Airline des Vereinigten Königreichs hat Virgin Atlantic während der Krise enorme Umsatzeinbussen in der Luftfahrtbranche erfahren, was die Fluggesellschaft nun komplett zum Erliegen gebracht hat. Aufgrund der weltweit teilweise immer noch andauernden Einreiseverbote und einer starken Konzentration auf Verbindungen in die USA, wird die verfolgte Strategie der Airline, sich ausschliesslich mit Langstrecken-Flügen auf dem Markt zu positionieren, nun zum Verhängnis. Da die Gesamtbuchungen der Virgin Atlantic über das kommende Jahr um ungefähr 89 Prozent eingestürzt sind, gehen der Airline die finanziellen Mittel aus.
Ohne die erfolgte Rekapitalisierung würde die Airline nach Auskünften aus dem Insolvenzantrag innerhalb von einem Monat die Forderungen nicht mehr begleichen können, da die Liquidität auf weniger als 75 Millionen Pfund (~ 83 Millionen Euro) fallen würde. Um den mit den Kreditgebern und Investoren ausgehandelten milliardenschweren Rettungsdeal zu sichern, hat das Unternehmen in New York nun einen Antrag auf Gläubigerschutz nach Chapter 15 gestellt. Das Verfahren hat den Zweck, die in Grossbritannien eingeleitete Restrukturierung der Fluggesellschaft auch in den USA geltend zu machen. Mit einer sonst üblichen Insolvenz nach Chapter 11, die unter anderem von Avianca und LATAM gewählt wurde, ist dieses Verfahren nicht vergleichbar.
Die geplante Insolvenzmeldung nach Chapter 15 hat Virgin Atlantic dabei wie folgt erklärt:
Virgin Atlantic attended court yesterday (4th August) as part of a solvent recapitalisation process under 26(A) of the UK Companies Act 2006. That process is proceeding with the support of the majority of our creditors.
Following the UK hearing held yesterday (4th August), ancillary proceedings in support of the solvent recapitalisation were also filed in the US under their Chapter 15 process. These ancillary US proceedings have been commenced under provisions that allow US courts to recognise foreign restructuring processes.Offizielles Statement von Virgin Atlantic zur Restrukturierung
In the case of Virgin Atlantic, the process we have asked to be recognised is a solvent restructuring of an English company under Part 26A of the English Companies Act 2006
Dementsprechend sollte man die Insolvenzmeldung von Virgin Atlantic auch nicht überbewerten, denn das Chapter 15-Verfahren bedeutet keineswegs den Untergang oder die endgültige Zahlungsunfähigkeit der Airline. Vielmehr wurde ein Rettungspaket bereits zuvor beschlossen.
Rekapitalisierung von Virgin Atlantic bereits gesichert
Dass Virgin Atlantic den Weg über ein Insolvenzverfahren nach Chapter 15 gewählt hat, gehört zur Strategie der Fluggesellschaft, die bereits vor einigen Wochen eine Rekapitalisierung eingeleitet hatte und dazu eine Einigung mit ihren Gläubigern gefunden hatte, wie wir bereits berichtet hatten. Um die Airline zu retten, hatte Mehrheitseigner und Gründer Richard Branson zunächst entschieden, auf den Anspruch der ausstehenden Verbindlichkeiten der Airline in Höhe von 400 Millionen Pfund (~ 475 Millionen Franken), zu verzichten. Das Unternehmen von Branson, die Virgin Group, hatte sich ausserdem dazu entschlossen 200 Millionen Pfund (~ 238 Millionen Franken) beizusteuern.
Weitere finanzielle Mittel in Höhe von 170 Millionen Pfund (~ 200 Millionen Franken), werden von dem Hedge-Fonds Davidson Kempner zur Verfügung gestellt, weitere Kredite von 450 Millionen Pfund (~ 535 Euro Millonen Franken) kommen ebenfalls von diesem Fonds. Somit steht das Rettungspaket von Branson mit einem Gesamtwert von 1,2 Milliarden Pfund (~ 1,42 Milliarden Franken), welches ausschliesslich privat finanziert wird. Zwischenzeitlich hatte Virgin Atlantic auch versucht, an Staatshilfen in Grossbritannien zu kommen, war mit diesem Anlegen allerdings gescheitert.
Der Rettungsdeal für die Airline sieht laut Angaben aus dem Insolvenzantrag in den USA allerdings auch einige bislang noch nicht bekannte Einschnitte vor. So sollen die Gläubiger der Fluggesellschaft nur 80 Prozent ihrer Forderungen sofort erhalten, die restlichen 20 Prozent sollen über mehrere Jahre zurückgezahlt werden. Darüber hinaus sollen die Leasing-Unternehmen, denen einiges Jets von Virgin Atlantic gehören, zu reduzierten Leasing-Raten gezwungen werden oder alternativ ihre Maschinen zurückerhalten, was in Anbetracht der Marktlage nicht sonderlich attraktiv ist.
Fazit zur Insolvenzmeldung von Virgin Atlantic
Dass Virgin Atlantic in die Insolvenz muss, klingt im ersten Moment schlimmer, als es eigentlich ist. Das komplexe US-Insolvenzrecht lässt bei einer Insolvenz nach Chapter 15 primär eine bereits eingeleitete Restrukturierung unter vereinfachten Bedingungen zu und ermöglicht es der Airline somit auch internationale Gläubiger leichter mit einem Restrukturierungsplan zu befrieden. Besonders da das genaue Rettungspaket schon steht, dürfte das Verfahren nur ein weiterer Schritt in die Zukunft von Virgin Atlantic sein – um eine baldige Pleite der Fluggesellschaft muss man sich vorerst keine Sorgen machen.