Es bedarf oft einer Krise, dass man Dinge hinterfragt. So steht es auch um die Vorkasseregelung für die Buchung von Flügen – doch eigentlich war eine Abschaffung schon vor der momentanen Krise überfällig und doch bleibt die Regelung fast unumstösslich.

Man hat sich gewissermassen daran gewöhnt: Wer einen Flug bucht, der muss in Vorkasse gehen – teilweise sogar egal wie weit die Reise in der Zukunft liegt. Das gilt oft selbst dann, wenn bis zum Flug noch fast ein ganzes Jahr vergeht. Diese Praxis wird weltweit mehr oder weniger stillschweigend hingenommen. Doch sakrosankt ist diese Regelung absolut nicht, es ist vielmehr eine Gewohnheit, welche die Konzerne gerne weiterführen. Nur haben sie längst das entsprechende Vertrauen verspielt – eine Änderung ist überfällig und sollte von den Verbrauchern eingefordert werden. Allzu viel Hoffnung auf eine Änderung sollte man aber nicht haben.

Eine schwer zu erklärende Praxis

Es ist eine Praxis, an die wir uns alle gewöhnt haben: Wenn wir einen Flug buchen, dann bezahlen wir diesen direkt bei der Buchung, auch wenn wir die Leistung erst deutlich später wahrnehmen. Kurioserweise ist es bei Hotelbuchungen gleichzeitig seit jeher so, dass Buchungen ohne Anzahlung die Regel sind. Mittlerweile wird zwar oft ein günstiger Tarif mit Vorauszahlung angeboten, eine flexible Variante – meist nicht einmal relevant teurer – gibt es aber dennoch. Dabei gilt gemeinhin selbst beim Check-in die Regel, dass nur eine Garantie hinterlegt wird. Bezahlt wird als Kunde erst bei der Abreise.

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Bei Flügen müssen Verbraucher seit jeher in Vorleistung gehen

Bei Flügen war das schon immer anders, wobei sich die Frage stellt: Warum eigentlich? Natürlich ist es so, dass die Logistik sich gravierend unterscheidet und es problematisch wäre, wenn alle Tickets komplett flexibel wären und Flugreisende einfach spontan nicht erscheinen – die Ausfallkosten sind höher als etwa für Hotels. Ein leeres Hotelzimmer bedeutet zwar ausbleibende Gewinne, aber kostet noch nicht per se Geld. Ein leerer Platz im Flugzeug ist da problematischer. Doch ist das allein ein Argument für eine Pflicht zur Vorauszahlung? Eine Garantie per Kreditkarte wäre hier im Grunde eine ähnliche Absicherung wie die Vorauszahlung, wenngleich Kunden sich hier möglicherweise einfach herausmanövrieren könnten, indem sie die Karte kündigen oder ein Limit einziehen, das eine Abbuchung unmöglich macht. Dies wäre allerdings, sofern die Zahlung auch danach ausbleibt, illegal und wiederum dieselbe Problematik, mit der auch Hotels zu tun haben, wenn Kunden nicht anreisen.

Nun spielt sicherlich auch die globale Komponente eine Rolle, die es deutlich schwieriger macht, entsprechende Forderungen einzutreiben. Auch hier darf man aber wieder Vergleiche ziehen: Geht es Hotels oder Versandhändlern anders? Nicht wirklich, denn auch hier ist es für ein australisches Hotel nicht einfacher an das Geld eines säumigen Reisenden zu bekommen als für eine australische Airline.

Vorleistung vor Einnahmen als Regel

Als Hintergrund für die aktuelle Praxis wird gerne genannt, dass Fluggesellschaften hohe Investitionen stemmen müssen, um überhaupt den Flugbetrieb zu ermöglichen. Das ist sicherlich legitim, aber gleichwohl auch kein Grund, der eine Vorauszahlung zwingend erforderlich macht. Unabdingbar wäre diese bei der entsprechenden Interpretation im Grunde für jedes Unternehmen, denn niemand bringt ein Produkt auf den Markt oder verschickt dieses an einen Kunden, ohne davor Kosten zu haben. Die Vorleistungen mögen sich von Produkt zu Produkt unterscheiden, aber es erscheint zumindest fraglich, warum man Produkte (oder Hotelreservierungen) für tausende Franken ohne Vorkasse beziehen kann, für einen Flug für 50 Franken aber dagegen zwingend in Vorkasse gehen muss.

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Vertrauen oder nicht – wer nicht vorauszahlt, fliegt nicht

Dass die Dinge bei Fluggesellschaften komplexer sind und die Verflechtungen in der Reisebranche eng und schwer zu durchschauen sind, ist dabei kein Argument. Für jeden Schritt in den Liefer- und Produktionsketten findet man einen Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen, die auch ohne Vorkasse gut über die Runden kommen. Dass Fluggesellschaften historisch betrachtet fast immer defizitär waren und oftmals staatlich gestützt wurden, macht es dagegen sogar noch zweifelhafter, warum der Steuerzahler, der die Airlines gemeinhin stützt oder bezahlt, auch noch privat in Vorleistung gehen muss. Dennoch hat sich diese kuriose Praxis nicht nur in Deutschland, sondern global manifestiert – infragestellen kann und sollte man sie dennoch.

Airlines haben das Vertrauen längst verspielt

Dass die Thematik aktuell wieder aufkommt, hat mit etwas zu tun, was eigentlich längst bekannt ist: Fluggesellschaften haben das Vertrauen nicht verdient, das man ihnen mit der Zahlung per Vorkasse gibt. Gäbe es das Konzept der Schufa umgekehrt für Unternehmen, würde der schlechte Score dafür sorgen, dass eine Vorkasse-Zahlung für Airlines nicht möglich ist. Dafür braucht man nicht einmal allgemeine Beispiele nennen, denn jeder Verbraucher kennt persönliche Fälle. Sei es die Pleite von airberlin oder einer von Dutzenden anderen Airlines zuvor – ist der Flug schon gebucht und bezahlt, ist das Geld weg. Wurden Flüge während der Pandemie einfach gestrichen und wurde ein Gutschein der Airline abgelehnt, ist das Geld teilweise immer noch nicht wieder auf dem Konto (an dieser Stelle beste Grüsse an Air Europa). 

Beispiele dafür, warum das Vertrauen nicht angebracht ist, gibt es auch aktuell wieder unzählige. Gestützt von Steuergeldern, wurden Rückzahlungen seitens zahlreicher Airlines an Kunden über Monate verzögert und erfolgten oft nur auf explizite Forderung – obwohl das Gesetz anderes vorschreibt. Monate später ist Corona nicht mehr das Thema, Flüge werden aber wegen – zumindest in Teilen – eigenem Verschulden weiterhin gestrichen. Spätestens jetzt sollten Kunden ihr Geld schnell und unbürokratisch zurückbekommen. Aber Pustekuchen: Dasselbe Spiel wie 2020 gibt es jetzt wieder. Kunden bleiben ohne Flug auf ihren Kosten sitzen, müssen sich oft selbst um die Ersatzbeförderung kümmern und kommen in der Hotline nicht einmal soweit, dass sie einen Mitarbeiter um eine Erstattung bitten könnten. Bekannte deutsche Airlines sind hier teilweise sogar noch die Einäugigen unter den Blinden – das allein sollte gut zeigen, wie schlimm es um die Branche wirklich steht.

Ein Schneeballsystem mit Kundengeldern 

Man möge auch eigentlich annehmen, dass die von Kunden vorgestreckten Gelder zumindest solange auf einer Art Treuhandkonto liegen, bis die Leistung erbracht ist. Mindestens würde man erwarten, dass die Gelder bis zur Erbringung der Leistung nur für Kosten eingesetzt würden, die mit dem Flug des jeweiligen Kunden zu tun haben – also beispielsweise für eine Vorauszahlung für das Kerosin. Doch in der Praxis sieht es ganz anders aus: Das als Einnahme verbuchte Geld wird einfach nach Gutdünken verwendet – sei es zur weiteren Expansion, zum Kauf von anderen Fluggesellschaften oder zur Begleichung von alten Rechnungen. Im normalen Betrieb fällt das nicht auf, in der Krise wird es dagegen schnell deutlich. Da heisst es von Fluggesellschaften auf einmal: Die Kundengelder können nicht zurückgezahlt werden, weil das Geld nicht da ist.

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Die Geschäftspraktiken von Airlines erscheinen teils bizarr

Dies wirft ein düsteres Schlaglicht auf die Branche, denn sowohl bei Reiseveranstaltern als auch Fluggesellschaften zeigte sich in der Corona-Krise, wie schnell die auf Kundengeldern aufgebauten Kartenhäuser einbrechen können. Sobald neue Buchungen ausgeblieben sind, war auf einmal nicht mehr genug Geld da, um bereits bezahlte Flüge zurückzuerstatten. In anderen Branchen nennt man so etwas ein Schneeballsystem, das eben nur so lange funktioniert, wie neue Kunden Geld bezahlen, um die Forderungen alter Kunden zu bedienen. Bei Fluggesellschaften spricht man dagegen von einem normalen Geschäftsbetrieb, was man getrost als Armutszeugnis bezeichnen darf. Bei aller Komplexität der Airlinebranche muss man sich doch die Augen reiben, wie es noch immer Vertrauen in Unternehmen gibt, deren Geschäftsmodell immer dann scheitert, wenn auf einmal keine neuen Kundengelder hereinkommen, mit denen die Leistungen alter Kunden erbracht wird.

Wenig Hoffnung für eine berechtigte Forderung

Konstatieren muss man allerdings auch: Die Nachfrage nach Flügen ist enorm und die globale Praxis der Vorauszahlung für Flüge hat sich etabliert. Der Mensch bleibt am Ende ein Gewohnheitstier und sehr ich auch selbst die aktuelle Praxis kritisiere: Ich würde dennoch einen Flug mit Vorkasse buchen, schlicht, weil ich keine Alternative habe. Der Vorstoss der Verbraucherschutzministerin mag ein Schritt in die richtige Richtung sein, doch allzu viel Hoffnung sollte man nicht haben. Nicht nur sind die Branchenvertreter generell stark, darüber hinaus bedürfte es für eine Änderung der Praxis eine internationale, mindestens aber europäische Initiative. Ob es diese in allzu naher Zukunft geben wird, darf man infragestellen, wenngleich der Ärger von Verbrauchern in vielen Ländern aktuell grösser kaum sein könnte.

Ein Fünkchen Hoffnung gibt es also, dass der Druck in den nächsten Wochen und Monaten noch grösser wird, wenn Kunden nicht nur Stunden warten müssen, sondern am Ende auch ihr Geld bei ausbleibender Leistung nicht zurückbekommen. Doch selbst wenn staatliche Regelungen oder der Druck von Verbrauchern einen Wandel bringen sollte, stellt sich die Frage, wie dieser überhaupt vonstattengehen sollte. Immerhin bliebe das Problem, dass ohne die zukünftigen Vorleistungen von Kunden die bereits bezahlten Leistungen nicht erbracht werden können. Möglich wäre ein Wandel bei vielen Airlines wohl nur, wenn der Staat – und damit die Verbraucher – die Gesellschaften mit Krediten stützen würden. Mehr Ironie geht wohl kaum.

Autor

Moritz liebt nicht nur Reisen, sondern auch Luxushotels in aller Welt. Auf der Suche nach neuen Erlebnissen hat Moritz schon dutzende Airlines getestet und mehr als 100 Städte erkundet. Auf reisetopia lässt er Euch an seinen Erlebnissen & Tipps teilhaben!

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