Wenige Stunden bevor der Boeing-Chef vor dem US-Senat Stellung zu den schwerwiegenden Qualitätsproblemen nehmen sollte, meldete sich ein neuer Whistleblower mit schweren Vorwürfen gegen das Unternehmen.

Die Zeiten bei Boeing sind turbulent. Nach dem Alaska Airlines Vorfall, als ein Rumpfteil im Startflug aus einer Boeing 737 MAX 9 herausgebrochen ist, steht die Qualitätssicherung auf dem Prüfstand. Bereits in der Vergangenheit haben sich Whistleblower zu Wort gemeldet und auf die Zustände im Konzern aufmerksam gemacht. Wie Simple Flying berichtet, ist es nun erneut dazu gekommen – wenige Stunden vor der Senats-Anhörung des Boeing-Chefs.

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Mitarbeiter aus dem Qualitätsmanagement meldet die Installation falscher Teile im Produktionsprozess
  • Der Whistleblower meldet sich wenige Stunden vor der Senats-Anhörung des Boeing-Chefs zu Wort
  • Boeing-Chef Dave Calhoun übernimmt während der Anhörung Veranwortung und entschuldigt sich bei den Angehörigen-Familien, die von den Flugzeugabstürzen 2018 und 2019 betroffen sind

Verbau von falschen Teilen

Der neue Whistleblower, Sam Mohawk, ist ein Mitarbeiter der Qualitätssicherung von Boeing und meldet sich mit neuen internen Informationen. Nach seiner Aussage würden fragwürdige Teile bei den Boeing 737 MAX Flugzeugen verbaut. Mohawk ist im Boeing-Werk in Renton, Washington beschäftigt, wo auch die Boeing 737 MAX produziert wird. Er habe sich mit seinen Bedenken an das Unternehmen gewandt, wurde aber nach eigener Aussage ignoriert. Er habe mit angesehen, wie Mitarbeiter angewiesen wurden, nicht konforme Teile vor Inspektionen der Federal Aviation Administration (FAA) zu verstecken.

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Diese neuen Informationen kommen ans Licht, kurz bevor der Boeing-Chef Dave Calhoun am Dienstag vor dem US-Senat aussagen sollte. Der Senator Richard Blumenthal beschuldigt Calhoun, den Profit höher zu gewichten als die Sicherheit. Blumenthal nimmt daher die Äusserungen des Whistleblowers sehr ernst:

His allegations are extraordinarily serious. His account of the retaliation against him is particularly chilling the pressure that was exerted on him to stay silent. They have a program called Speak up well, he was told to shut up.

Richard Blumenthal, US-Senator

Laut Blumenthal gäbe es genügend Beweise, um eine Strafverfolgung gegen den US-Flugzeugbauer einzuleiten. Boeing reagiert auf das Hervortreten eines neuen Whistleblowers mit der Aussage, ihre Mitarbeiter zu ermutigen, ihre Sorgen zu äussern:

We are reviewing the claims. We continuously encourage employees to report all concerns as our priority is to ensure the safety of our airplanes and the flying public.

Aussage Boeing zum Whistleblower

Anhand einer Umfrage hat sich Boeing jüngst an seine Mitarbeiter gewendet und insgesamt 30.000 Verbesserungsvorschläge bekommen, denn immer mehr Mitarbeiter sind besorgt.

Aktuell ist Boeing auf der Suche nach einem neuen Geschäftsführer, doch die Suche ist nicht einfach, da ein Kandidat seinen Namen bereits zurückgezogen hat.

Entschuldigung während der Anhörung

Im Zuge der Anhörung vor dem Senat wurde Dave Calhoun mit Fragen konfrontiert, wieso er nicht bereits zurückgetreten sei oder wie viel er verdiene. Der Boeing-Chef zog sich auf den Standpunkt zurück, er sei stolz auf die Massnahmen, die bisher ergriffen wurden.

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Gleichzeitig entschuldigte er sich bei Familien, die aufgrund der Qualitätsmängel von Boeing geliebte Menschen verloren haben. Calhoun übernahm die Verantwortung für die schwerwiegenden Vorfälle bei Boeing in den vergangenen fünf Jahren. Bei zwei aufeinanderfolgenden Flugzeugabstürzen 2018 und 2019 waren 346 Menschen ums Leben gekommen.

Teil der Ursache damals war eine Fehlfunktion eines Systems im Cockpit, über das die Piloten nicht Bescheid wussten. Nun kam gerade ans Licht, dass jüngst immer noch Informationen im Handbuch zur Boeing 737 MAX gefehlt haben – dieses Mal zum Triebwerk, wie aeroTELEGRAPH berichtet. Diese Information trifft besonders aus aktuellem Anlass in die Wunde der tragischen Abstürze.

Autorin

Wenn Ricarda auf Reisen ist, fühlt sie sich am lebendigsten. Infiziert vom Reisefieber wurde sie im Jugendalter durch ein Auslandsjahr in den USA. Egal ob mit dem Van, Backpack, Boot oder im Hotel: Sie ist immer bereit für ein neues Abenteuer, gerne auch mit viel Adrenalin. Nach ihrem Journalismus-Studium kann sie bei reisetopia ihre beiden Leidenschaften voll ausleben und versorgt Euch mit spannenden News.

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