Umweltlabel, nur so viel tanken wie nötig und das mit emissionsärmeren Treibstoffen – das Fliegen in der EU wird reformiert.
Vertreter des Europaparlaments und der EU-Staaten haben sich geeinigt: Ab 2025 müssen Kerosin mindestens zwei Prozent nachhaltige Kraftstoffe beigemischt werden, berichtet die Tagesschau. Schrittweise soll der Anteil bis 2050 auf 70 Prozent gesteigert werden. Ausserdem wird ein Umweltlabel eingeführt, welches abbildet, wie nachhaltig der gebuchte Flug im Vergleich ist. Doch es wird bereits erste Kritik laut. Werden die Massnahmen mit Wettbewerbsverzerrung eingehen oder sich auch negativ auf den Endverbraucher auswirken?
Nachhaltige Treibstoffpflicht: ein 25-Jahre-Plan
Laut Europaparlament ist der Personenflugverkehr für 13,4 Prozent der CO₂-Emissionen im europäischen Verkehrssektor verantwortlich. Um die Klimaziele der EU bis 2050 erreichen zu können, werden nun Regelungen zur Beimischung nachhaltiger Kraftstoffe, sogenannter Sustainable Aviation Fuels (SAF), festgesetzt.
Der Anteil beläuft sich ab 2025 zunächst auf 2 Prozent. Sukzessive werde dieser alle fünf Jahre erhöht: auf 6 Prozent 2030, 20 Prozent 2035, 34 Prozent 2040, 42 Prozent 2045 und schliesslich 70 Prozent im Jahr 2050, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Um zusätzliches Gewicht und somit auch mehr Treibhausgase künftig einzusparen, darf vor Abflug ab 2025 zudem nur noch die für die Strecke notwendige Kraftstoffmenge getankt werden. Ziel des 25-Jahres-Plans ist es, die jährlichen CO₂-Emissionen von Luftfahrzeugen bis 2050 um zwei Drittel zu senken.
Ausserdem wird ab 2025 ein Umweltlabel für Flüge innerhalb der EU eingeführt. Alle Airlines sind ab dann verpflichtet, den CO₂-Abdruck jedes Fluges abzubilden. Dies soll Buchenden die Möglichkeit einräumen, ihre Flugwahl nicht nur anhand von Preis und Komfort zu treffen, sondern auch aufgrund von Nachhaltigkeitsaspekten zwischen Fluggesellschaften zu entscheiden.
Wettbewerbsverzerrung, Nachteile für EU-Drehkreuze und Endverbraucher?
Der Lobbyverband E-Fuel-Allianz nennt die Einigung einen Erfolg für die Planungs- und Investitionssicherheit der Branche. Die Lufthansa und der Branchenverband BDL äusserten allerdings bereits Kritik an der geplanten Reform, berichtet aero.
Zum einen führe sie zu einer systematischen Benachteiligung von international agierenden europäischen Fluggesellschaften, da diese durch die Pflicht zur Nutzung der teureren nachhaltigen Kraftstoffe stärker finanziell belastet würden. Zum anderen befürchte man, dass der Ansatz nicht zu mehr Nachhaltigkeit im Flugverkehr führen wird, sondern nur EU-Drehkreuze an Attraktivität verlieren. Denn die Vorgaben gelten nicht für Flüge zwischen zwei Drittstaaten.
In ihrem Politikbrief “Fit for 55 muss fairen Wettbewerb mit Non-EU-Airlines sichern” kritisiert die Lufthansa Group die geplanten EU-Bestimmungen zur Erreichung der Klimaziele bis 2055.
Flugverkehr ist global, entsprechend müssen auch die Wettbewerbsbedingungen fair sein. Wir brauchen ein “LevelPlaying-Field” mit unseren Hauptwettbewerbern aus dem Nahen Osten, China, den USA und der Türkei.
Politikbrief der Lufthansa Group
Was das konkret auch für den Endverbraucher bedeutet, schlüsselt die Lufthansa Group anhand des folgenden Kostenvergleichs für einen Langstreckenflug im Jahr 2035 auf:
Durch die ebenfalls vorgeschlagene Kerosinsteuer, die SAF-Quote von 20 Prozent und den verschärften europäischen Emissionshandel (ETS) würde ein Lufthansaticket von Barcelona über Frankfurt nach Tokio bis zu 200 Euro mehr kosten. Die längere Route über ein nichteuropäisches Drehkreuz wie Istanbul wäre nur rund 20 Euro teurer, heisst es.
Der Grund: Der nichteuropäische Carrier muss maximal die SAF-Quote auf dem Zubringerflug auf dem Hinweg und keine Kerosinsteuer und keine ETS-Gebühr bezahlen, so Lufthansa. Für eine vierköpfige Familie würden ergo bis zu 800 Euro Mehrkosten entstehen, wenn sie in Frankfurt statt in Istanbul umsteigt. Das sei, laut der Airline, nicht nur internationale Wettbewerbsverzerrung, sondern würde ausserdem zur Wahl einer weniger nachhaltigen Route animieren, die wie in diesem Beispiel rund 700 km Umweg bedeuten kann.
Fazit zu den EU-Richtlinien für nachhaltige Kraftstoffe im Flugverkehr
Ab 2025 müssen in der EU Kerosin mindestens zwei Prozent nachhaltige Kraftstoffe beigemischt werden, Flugzeuge dürfen nicht übertankt werden und ein Umweltlabel wird eingeführt. Dies sind wünschenswerte Maßnahmen im Sinne eines nachhaltigeren Flugverkehrs, wenn der gewünschte Effekt erzielt werden kann: eine Senkung um zwei Drittel der CO₂-Emissionen dieses Sektors. Die Bedenken, dass die EU-Reform zu einer internationalen Wettbewerbsverzerrung führen wird und Nicht-EU-Drehkreuze im Vergleich die günstiger, jedoch auch umweltschädlichere, Wahl werden könnten, sind allerdings nicht von der Hand zu weisen. Eine globale Regelung betreffend der Treibhausgase im Flugverkehr wäre die wünschenswerteste Perspektive, aber höchst vermutlich keine zeitnah umsetzbare.