Dass Züge die deutlich nachhaltigere Alternative zum Inlandsflugverkehr sind, liegt auf der Hand. Doch kann die Deutsche Bahn den Inlandsflugverkehr auch wirklich schon ersetzen? Dieser Frage wollen wir uns mit Euch in der neusten pro/contra-Ausgabe stellen!
In unserer pro/contra-Serie diskutieren zwei unserer Autoren im Artikel-Format über ein bestimmtes Thema. Die Themen reichen von aktuellen bis hin zu allgemeinen, wichtigen, oder einfach interessanten Themen, die uns – und hoffentlich auch Euch – derzeit bewegen. Jeder Autor übernimmt dabei entweder den Pro- oder den Contra-Part, je nachdem, welche Seite, beziehungsweise welche Meinung vertreten wird. In dieser Ausgabe von pro/contra beschäftigen sich Alex und Livia mit der Frage, ob der Zug den Inlandsflugverkehr wirklich ersetzen kann. Falls ja – woran hapert es aktuell noch? Wenn nein – welche Schritte sind noch zu bewältigen? Dabei wird Livia den Pro- und Alex den Contra-Part übernehmen und entsprechend der Meinungen versuchen, diese zu stützen und zu vermitteln. Wir freuen uns auch auf Eure Meinung – wie schätzt Ihr die Situation mit dem Inlandsflugverkehr, mit Blick auf die aktuelle Situation und die Zukunft? Diskutiert gern mit uns mit!
pro: Zugreisen sind günstiger, unkomplizierter und bieten eine bessere Möglichkeit zum Arbeiten
Wie bereits in der Einleitung erwähnt, sind Zugreisen ohne Frage die nachhaltigere Art innerhalb von Deutschland herumzureisen. Während die Schiene gerade einmal 29 Gramm Treibhausgas-Emissionen pro Personenkilometer verursacht, sind es im Inlands-Luftverkehr 214 g/Pkm. Somit verursachen Flüge mehr als siebenmal so viel Treibhausgas-Emissionen wie Züge, so faz.net. Und auch wenn 2019 weder der Flugverkehr mit 1,4 Prozent noch der Schienenverkehr mit 0,5 Prozent anteilsmässig grosse CO₂-Anteile von Deutschland ausgemacht haben, ist der Unterschied trotzdem massgebend.
Als nächster Grund für Zugreisen im Inland spricht der Preis. Wie in der folgenden Grafik zu sehen ist, kosten die Flugreisen zwischen den grossen deutschen Städten oftmals zwei- bis dreimal so viel, wie die Zugreisen. Auch wenn bei den Zugreisen etwas mehr Zeit in Anspruch genommen werden muss, kann somit reichlich Geld gespart werden.
Der dritte Grund, der Zugreisen im Inland für mich attraktiver macht, ist der durchgängige Komfort der Reise. Egal ob in der ersten oder zweiten Klasse, die Deutsche Bahn bietet bequeme Sitzplätze, herunterklappbare Tische, diversen Stauraum sowie kostenloses Internet, das meistens funktioniert. Das ermöglicht nicht nur eine angenehme Zugreise, sondern auch eine gute Arbeitsatmosphäre. Ohne Beachtung eines Starts oder einer Landung können Reisende dadurch direkt nach dem Einstieg in die Bahn mit der Arbeit beginnen und wenige Minuten vor der Ankunft aufhören.
Schlussendlich sind Zugreisen im Inland mit deutlich mehr Freiheiten verbunden, als Flugreisen. Einerseits kann an Gepäck grundsätzlich mitgenommen werden, was man möchte. Dabei haben Passagiere keine Begrenzungen an Flüssigkeiten, Gepäckgrössen oder der Anzahl Gepäckstücke. Ganz nach Lust und Laune, kann ein komplettes Mittagessen, der Kaffee von Zuhause oder eine Geburtstagstorte transportiert werden. Einzig ist der Stauraum im jeweiligen Zug zu beachten. Andererseits sind Zugreisen ohne Security-Kontrollen sowie Check-ins verbunden. Das spart neben Zeit, einiges an Nerven.
Doch damit noch nicht genug; das inländische sowie europäische Bahnnetz ist sich konstant am Weiterentwickeln. Alleine dieses Jahr stehen bei der Deutschen Bahn diverse Modernisierungen im Wert von 60 Milliarden Euro an, um das bestehende Schienennetz zu verbessern. Weiter gab die Deutsche Bahn bekannt, dass bis mindestens zum Februar 2023 Bahnreisende keine Streiks mehr befürchten müssen. Als Letztes gab die Deutsche Bahn erst kürzlich bei Siemens eine Bestellung von über 43 weiteren Hochgeschwindigkeitszügen auf, die für 2030 eingeführt werden sollen. Durch die kürzere Reisezeit der Hochgeschwindigkeitszüge wie auch den selteneren Zugausfällen werden Inlandsreisen mit dem Zug in wenigen Jahren nur noch attraktiver sein.
contra: Reisende wären bereit, aber die Infrastruktur fehlt
Vorne weg ein paar Zahlen. Der Inlandsflugverkehr wird gerne als Umweltsünder in der Öffentlichkeit angeprangert. Doch tatsächlich würde ein komplettes Verbot von Inlandsflügen “nur” 2,2 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr einsparen. Natürlich zählt im Kampf gegen den Klimawandel quasi jedes Gramm, doch vergleicht man dies mit anderen Möglichkeiten, ist der Anteil des Inlandsflugverkehrs verschwindend gering.
So würde ein Tempolimit von 120 km/h bereits 2,6 Millionen Tonnen CO₂ pro Jahr einsparen. Wohl gemerkt: Hierbei handelt es sich lediglich um die Reduktion auf ein Tempolimit. Ein gänzliches Verbot des Inlandsflugverkehrs würde sogar weniger CO₂ einsparen. Einen deutlich massiveren Anteil hat der Verzehr von Fleisch. Ein Verzicht auf Fleisch würde ganze 30 Millionen Tonnen CO₂ einsparen. Schon die persönliche Einschränkung im Konsum würde deutlich mehr CO₂ sparen, als das Inlandsflugverbot.
Doch hierbei soll es nicht um ein Verweis auf andere Bereiche gehen, um die Schuld vom Flugverkehr von der Hand zu weisen. Ob 2,2 Millionen Tonnen CO₂ oder 30 Millionen Tonnen, jede Massnahme würde sich positiv auf das Klima auswirken. Ein Verbot oder zumindest Teilverbot von Inlandsflügen mit dem Ersatz auf der Schiene würde durchaus Sinn ergeben. Ich bin also keinesfalls gegen den Ersatz von Inlandsflügen durch den Zugverkehr. Ob das die Deutsche Bahn oder ein anderes Privatunternehmen sein soll, spielt dabei ebenfalls keine Rolle. Für mich spielen viel mehr die aktuellen Gegebenheiten eine Rolle.
Eine Flugreise mit Umstieg in Frankfurt oder München ist von vorne bis hinten organisiert. Der Check-in erfolgt am Startflughafen. Das Gepäck wird entgegengenommen und durchgecheckt. Jegliche Kontrollen erfolgen ebenfalls hier, sodass die Reise ohne unter wirklichen Unterbrechung bis zum Schluss durchgeführt werden kann. Zwar geschieht dies in einer bestimmten Form bereits auch jetzt, jedoch nicht ganz so reibungslos. Dank Rail + Fly können Passagiere der Lufthansa beispielsweise bereits jetzt ihren Zubringer mit dem Zug buchen.
Zwar existiert dafür bereits auch ein eigenes Terminal am Flughafen Frankfurt, den Check-in muss man dort jedoch ebenfalls erneut vollziehen. Das bedeutet auch, dass das Gepäck zunächst weiterhin in der eigenen Verantwortung liegt. Lagerplätze im Zug sind jedoch Mangelware, vor allem für grosses und schweres Gepäck. Sollte man also das Reiseerlebnis vom Flug auf den Zug übertragen können, und bereits am Startbahnhof gänzlich einchecken können, wäre der erste Schritt getan.
Gleiches gilt auch für die Anpassung der Bordservices. Zwar ist die europäische Business Class auch kein Hit, aber dennoch ein deutlicher Unterschied zur Bahn. Während hier in der 1. Klasse lediglich der Kaffee zum Platz gebracht wird, servieren Lufthansa und Co. selbst auf kurzen Flügen ganze Menüs. Lediglich in puncto Sitzkomfort kann die Bahn mithalten.
Unterschiedliche Systeme und Services führen jedoch zum Hauptproblem. Wie können diese miteinander vereint werden, vor allem im Falle von Störungen? Die Bahn ist deutlich häufiger von Witterungsbedingungen oder sogenannten höheren Mächten beeinflussbar. Während ich mich bei Verspätung eines Fluges darauf verlassen kann, auf die nächstbeste Option umgebucht zu werden, und dafür auch noch eine Entschädigung erwarten darf, sind diese Regeln zwischen Bahn und Flugzeug nicht so leicht vereinbar. Wer haftet im Falle einer Verspätung? Welche Möglichkeiten bieten sich mir?
Fragen, die ungeklärt sind und meiner Meinung nach durchaus schwer zu beantworten sind. Erst, wenn alle Systeme ineinander greifen, stellt für mich der Zug eine wahre Alternative zum Inlandsflugverkehr dar, vor allem wenn es um Anschlussflüge ab oder zu den internationalen Drehkreuzen hierzulande geht.
Um darüber hinaus eine ernsthafte Konkurrenz zum Flugzeug zu werden, muss die Bahn weiter aufrüsten. Die Sprinter-Verbindung zwischen Berlin und München ist definitiv ein Anfang, aber noch zu wenig. Vor allem, wenn man sich vor Augen hält, dass der Neubau weiterer Schnellfahrstrecken mitunter Jahrzehnte in Anspruch nehmen kann, dank der vielen Bürokratiehürden. Doch auch vorhandene Schnellfahrstrecken werden nicht adäquat genutzt. So werden ICEs auf Strecken eingesetzt, die eine deutlich geringere maximale Geschwindigkeit aufweisen, als der Zug tatsächlich fahren könnte.
Deutschland ist zwar kein grosses Land, doch will die Bahn eine wirkliche Alternative werden, muss sie vor allem schneller sein als sie es bisher ist. Unpünktlichkeit kann dabei vorkommen, doch noch immer ist in den Köpfen verankert, dass ein Flug innerhalb Deutschlands schneller zu bewältigen ist, als eine Fahrt mit dem Zug.
Fazit zum Ersatz des Inlandsflugverkehrs
Lässt man den Umweltfaktor ausser Acht, haben beide Transportmöglichkeiten ihre individuellen Vor-, aber auch Nachteile. Bei entsprechender Flexibilität lässt sich mit dem Zug deutlich mehr Geld sparen. Das Flugzeug spart dafür mitunter viel Zeit und ist vor allem bei Langstreckenreisen das angenehmere Transportmittel, welches vor allem einen reibungslosen Ablauf garantiert. Die Bahn hätte dennoch die Chance, das Flugzeug im Inlandsflugverkehr zu ersetzen. Die Basis besteht bereits mit den Rail + Fly-Angeboten der verschiedenen Airlines und Reiseveranstalter. Doch sowohl im Service als auch in den Prozessen bedarf es noch viel Arbeit, um das Flugzeug wirklich ersetzen zu können. Darüber hinaus muss die allgemeine Preisgestaltung aber auch grundsätzlich umgedacht werden, um dies überhaupt zu ermöglichen.
An und für sich ein paar gute Argumentationen und schön, sie mal nebeneinander gestellt zu sehen.
Aber beide Autoren gehen hier von unterschiedlichen Ausgangszenarien aus: Der eine stellt in Frage, ob eine Strecke von Leipzig nach Frankfurt wirklich mit dem Flugzeug zurück gelegt werden muss, wenn der Zielbahnhof auch der Endpunkt der Reise ist. Die andere argumentiert aber von dem Standpunkt aus, dass es dann z.B. ab Frankfurt noch mit einem Flugzeug weiter geht, beispielsweise in die Ferien außerhalb Europas.
Dass beide Argumentationen deshalb stimmig sind, versteht sich ja von selbst. Schade, dass nicht für beide Szenarien mit Pro und Contra argumentiert wurde.