Sie sind ein Paradies auf Erden und für viele Touristen Traumreiseziel Nummer eins: die Malediven. Das Inselarchipel ist längst nicht mehr das Tor zu einer abgeschiedenen Welt, bunten Korallenriffen und unberührten Sandstränden. Jahr für Jahr öffnen weitere Resort-Inseln, und aus der kleinen Flughafeninsel Velana ist ein riesiges Bauprojekt mit neuem Terminal geworden.
Längst gibt es auch nicht mehr nur die eine Reisezeit. Stunde um Stunde landen die internationalen Airlines, darunter vor allem in den europäischen Ferien auch viele Charterflüge. Von Malé geht es entweder mit dem Schnellboot, dem Wasserflugzeug oder zu weit entfernten Inseln über einen weiteren Inlandsflug. Die Auswahl an Hotels – in jeder Preisklasse – ist schier unbegrenzt. Und so wurde aus einem Reiseziel für gutbetuchte, ein Reiseziel, das auch zu erschwinglichen Preisen buchbar ist. Je nachdem, wie „hoch“ die eigenen Ansprüche sind. Denn teurer geht es immer. Steht den Malediven der Overkill bevor?
Luxusboom: Wie viel ist zu viel?
Die Malediven sind für mich nicht nur ein Reiseziel – sie sind ein Sehnsuchtsort. Ein Ort, den ich über viele Jahre hinweg erlebt habe: mit türkisblauen und klaren Wasser, einsamen Sonnenaufgängen über dem Ozean und Resorts, die wie aus der Zeit gefallen scheinen. Ich durfte in verschiedenen Luxusunterkünften nächtigen, und jedes einzelnes davon hat mich auf ihre Weise verzaubert. Doch mit jedem Aufenthalt wuchs auch ein Gefühl der Beklemmung: Wie lange kann dieses fragile Paradies noch standhalten?
In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der Luxusresorts signifikant erhöht, was Fragen nach den ökologischen und sozialen Auswirkungen aufwirft. Luxus definiert sich heute nicht unbedingt mehr mit einem schier unbegrenzten Angebot der Hotels, sei es kulinarisch oder dienstleistungsbezogen, bei der Fülle an Wassersport, Aktivitäten und Events. Vielmehr stehen Privatsphäre, die Rückkehr zum Ursprünglichen und Wellness im Fokus von Luxusreisenden, ebenso wie ein persönlicher und unaufdringlicher Service. Dieser beinhaltet in meinen Augen auch den Service am Gast, insbesondere beim Dinner und die Aufmerksamkeit der Kellner, wenn es um das Nachfüllen des Glases geht.
Ohne Zweifel, die Qual der Wahl beim täglichen Buffet zu haben und sich morgens, mittags, nachmittags und abends ohne weiteren Aufpreis durch die Länder zu kosten, hat seinen Reiz. Doch bestehen Ferien auf den Malediven heute nur noch aus Essen? Dieses Gefühl überkommt mich dieser Tage, wenn ich mir die All-inclusive-Angebote der zahlreichen und stets wachsenden Inselresorts anschaue.
Auch hier wird immer von Luxus gesprochen, der mit einem schier unbegrenzten Angebot an Dienstleistungen einhergeht. Ganz entgegen dem Motto weniger ist mehr. Doch dabei ist genau dieser Ansatz für mich der Inbegriff von Luxus – insbesondere auf den Malediven. Ursprünglichkeit, mit traditionell inspirierten Villen statt weissem Beton-Kasten, einem unberührten Strand, statt eines Parkplatzes für Jetskis und zehn Reihen Sonnenliegen. Drei Restaurants, zwei Bars und ein Aussenpool, der dank der privaten Pools und Strandabschnitte so gut wie leer ist: So stelle ich mir meine Malediven-Ferien vor und ich habe ihn so schon oft geniessen dürfen.
Soneva Fushi, One&Only Reethi Ra, Banyan Tree Vabbinfaru und Kanuhura – um ein paar Inseln zu nennen, die gegenüber von Angsana Velavaru, Kuredu oder Siam World stehen. Eine Insel als Welt zu bezeichnen, sagt doch alles aus. Insbesondere im Nord- und Süd-Male-Atoll, wo sich auch der internationale Flughafen von Male befindet, gibt es eine hohe Dichte an Resorts.
Die Expansion ist kaum zu übersehen. Neue High-End-Resorts wie „.Here“ im Baa-Atoll – mit nur zehn überdimensionierten Villen in luftiger Höhe – versprechen absolute Privatsphäre und Exklusivität. Gleichzeitig plant die Gruppe „Six & Six Private Islands“ sechs weitere Resorts innerhalb von sechs Jahren. Solche Entwicklungen wirken wie eine Spirale: immer höher, weiter, exklusiver. Doch wann kippt das Gleichgewicht?
Ich persönlich frage mich: Muss wirklich jede Insel monetarisiert werden? Verliert nicht genau das, was als Luxus gilt – das Seltene, das Unberührte – seinen Wert, wenn es zur beliebigen Blaupause wird?
Wer profitiert wirklich vom Geld der Touristen?
Tourismus schafft Jobs, keine Frage. Doch ein genauerer Blick zeigt: Von den Milliardenumsätzen profitieren am Ende meist ausländische Investoren und die Hotelketten. Einheimische übernehmen oft Service- oder Baujobs – schlecht bezahlt und selten auf Augenhöhe. Die Resorts funktionieren als geschlossene Mikrokosmen, abgeschottet von den realen Lebenswelten der Bevölkerung.
Und tatsächlich gibt es rechtliche Vorgaben, die diesen Arbeitsmarkt regeln, wie aus einem Beitrag der Maldives National University hervorgeht:
- Laut Gesetz müssen mindestens 45 Prozent der Angestellten eines Resorts maledivischer Herkunft sein.
- Für Führungspositionen gilt seit 2020 eine Quote von 60 Prozent für Einheimische.
- Resorts mit über 50 Angestellten müssen ihre Personalabteilung von einem maledivischen Manager führen lassen.
Das klingt ambitioniert, ist im Vergleich mit anderen Destinationen auch durchaus fortschrittlich. Doch die Realität sieht auch hier anders aus. Viele Resorts schaffen es nur knapp, die Vorgaben zu erfüllen. Besonders in leitenden Positionen fehlt es an Expertise und den notwendigen flächendeckenden Trainingsprogrammen, wie ein Einstellungs-Guide für Malediven-Resorts verdeutlicht.
Zum genaueren Vergleich: In Destinationen wie den Seychellen (hier müssen Hotels 30 bis 40 Prozent lokale Mitarbeitende beschäftigen) oder Fidschi gelten ähnliche Quotenmodelle. In Dubai gibt es gar ein staatlich gefördertes System (Emiratisation), das den Aufstieg lokaler Kräfte aktiv unterstützt. Dort wie hier bleibt entscheidend, wie konsequent aus Zahlen echte Karrieren gemacht werden. Der Austausch mit den Menschen vor Ort gehört für mich zu den wertvollstenFerienerfahrungen.
Balanceakt zwischen Luxus und Nachhaltigkeit
Luxus hat seinen Preis. Und der wird auf den Malediven nicht nur in Dollar bezahlt. Sucht man nach Stichwörtern wie Massentourismus und All-inclusive stösst man auf einen Bericht des Spiegels, der die Regierung mit ihren fragwürdig genehmigten Bauprojekten kritisiert. So werden selbst in geschützten Biosphärenreservaten Korallenriffe abgetragen, Lagunen aufgeschüttet. Ganze Sandbänke verschwinden. Gleichzeitig steht das Inselparadies auch vor einem immer grösser werdenden Müllproblem. Die Müllinsel Thilafushi, einst eine temporäre Lösung, ist heute das Symbol für eine Tourismusindustrie ohne ausreichendes Recyclingsystem.
Tonnenweise Müll aus Resorts, darunter Plastikflaschen, Styropor, Verpackungen – landet dort oder direkt im Meer. Währenddessen entstehen neue Hotelinseln schneller als moderne Entsorgungsstrukturen. Wahren Luxus zeigen hier die top Adressen, die mit eigenen Wasserfilteranlagen, “No-Plastic-Policy”, eigenem Gemüseanbau und dem Wiederaufbau der Korallenriffe begeistern.
Die Malediven müssen kein Widerspruch sein. Es gibt positive Beispiele: Resorts, die auf Solarstrom setzen, Korallen pflanzen oder lokale Produkte nutzen. Und es gibt Gäste, die bereit sind, für bewussteren Tourismus zu zahlen – und damit Verantwortung zu übernehmen. Einen Aufpreis hierfür zu zahlen, ist es meiner Ansicht nach wert, wenn man dafür das Versprechen von Exklusivität erhält.
Die Malediven zwischen Exklusivität und Überangebot
Die Vielzahl neuer Hotelprojekte wirft in mir eine zentrale Frage auf: Wann ist genug? Die ursprüngliche Idee von Exklusivität droht, sich selbst zu entwerten. Wenn jede dritte Insel ein Resort ist, dann wird aus „Hideaway“ ein Hotspot – mit Pooldeck, Helipad und Instagram-tauglichem Infinity-Blick. Letzteres fokussieren immer mehr Hotels mit eigens errichteten Fotospots. Eine touristische Sättigung könnte nicht nur die Umwelt, sondern auch die Wirtschaft destabilisieren. Wer im globalen Markt ausschliesslich auf Hochpreis und „Ultra Luxury“ setzt, läuft Gefahr, ein Produkt zu schaffen, das irgendwann niemand mehr braucht – oder das emotional entkoppelt wird von dem, was es einmal war.
Mir stellt sich die Frage: Wie viele Resorts verträgt ein Atoll? Wie können Müll, Wasser und Energie in Einklang gebracht werden mit dem Versprechen von Exklusivität? Denn sie sollten für künftige Generationen noch existieren. Echtes Luxusgefühl entsteht nicht durch Überfluss, sondern durch Wertschätzung – gegenüber Natur, Menschen und der Erkenntnis, dass weniger manchmal wirklich mehr ist.