Die International Air Transport Association (IATA) prognostiziert derzeit zwei wahrscheinliche Szenarien für ein Abflauen der aktuellen Krisensituation aufgrund von Covid-19. Ein drittes mögliches Szenario wirft jedoch einen düsteren Blick auf die nahe Zukunft.
Der Dachverband aller Fluggesellschaften, die International Air Transport Association (IATA), sieht für die Auswirkungen der globalen Coronakrise aktuell offenbar zwei wahrscheinliche End-Szenarien. Prognostiziert wird primär eine V-förmige Erholung, die sich über den Verlauf mehrerer Jahre erstrecken wird. Eine dritte – jedoch deutlich unwahrscheinlichere – Möglichkeit stellt hingegen das “absolute Worst-Case-Szenario” dar, wie aus Analysen des Reiseportals simpleflying hervorgeht. Ein Überblick.
Szenario 1: Die V-förmige Erholung
In der V-förmigen Erholung sieht die IATA aktuell offenbar die zwar optimistischste Version einer baldigen Erholung der globalen Krise, jedoch wohl nicht die wahrscheinlichste. Für das laufende Jahr wird bei diesem Szenario ein internationales Passagieraufkommen von ca. 30 bis 35 Prozent berechnet, verglichen anhand des Vorjahres 2019. Für 2021 prognostiziert die IATA allerdings bereits ein deutliches Wachstum mit ca. 40 bis 45 Prozent Revenue Passenger Miles (RPM), also Einnahmen aus Passagiermeilen.
Die Internationale Zivilluftfahrt Organisation (ICAO) verkündete offenbar bereits im März dieses Jahres einen potenziellen Verlust von 90 Milliarden US-Dollar Bruttoeinnahmen für das Szenario einer V-förmigen Erholung von der Krise. Gleichzeitig prognostiziert werde allerdings, dass die Passagiernachfrage bereits im Jahr 2022 wieder ein dem vor der Krise ähnelndes Niveau erreichen könnte. Trotz allem werde nach Informationen der IATA eine V-förmige Krisenerholung offenbar nicht eintreten. “Die Aussichten der Branche trüben sich von Tag zu Tag. Das Ausmass der Krise macht eine scharfe V-förmige Erholung unwahrscheinlich”, wird IATA-CEO Alexandre de Juniac von simpleflying zitiert.
Szenario 2: Die U-förmige Erholung
Das Szenario einer U-förmigen Erholung wird in der internationalen Betrachtung aktuell als das wahrscheinlichste aller Szenarien gehandhabt. “Realistisch betrachtet wird es eine U-förmige Erholung von der Krise geben, bei der der Inlandsreiseverkehr schneller zurückkehrt, als der internationale Markt”, kommentiert Alexandre de Juniac. Prognostiziert werde hierbei offenbar eine Erholung der Nachfrage nach Inlandsreisen bis ca. 2023, während die internationale Nachfrage erst im Folgejahr 2024 knappe 80 Prozent des Vorkrisenniveaus erreichen soll.
Dieses zweite Szenario wird aktuell offenbar nicht nur von der IATA, sondern einer Mehrheit von Führungskräften internationaler Fluggesellschaften als das wahrscheinlichste bewertet: Jerome Cadier, CEO der chilenischen Fluggesellschaft LATAM Airlines, kommentierte bereits vor wenigen Tagen, dass die gänzliche Erholung des Passagieraufkommens ca. zwei bis drei Jahre beanspruchen werde. Und auch die Lufthansa-Tochter Austrian Airlines rechnet frühestens ab 2023 mit einer Passagiernachfrage auf Vorkrisenniveau. Zudem belegen jüngste Analysen der IATA das tatsächliche Ausmass dieser aktuellen Krise: Während zuvor mit erst 113 Milliarden und dann mit ca. 252 Milliarden US-Dollar Verlust gerechnet wurde, prognostiziert die IATA nun knapp 314 Milliarden US-Dollar weniger Passagiereinnahmen, als im Vorjahr 2019. Damit sinken die Zahlen um mehr als 55 Prozent.
Szenario 3: Die L-förmige Erholung
Glücklicherweise wird die dritte – und düsterste – aller Prognosen von der IATA offenbar als derart unwahrscheinlich eingestuft, dass es in keiner der offiziellen Pressemitteilungen überhaupt in Betracht gezogen wurde. Hierbei handelt es sich um das absolute Worst-Case-Szenario, dass offensichtlich nicht nur den schlimmst-möglichen Verlauf der Pandemie beäugt, sondern zudem massives menschliches Versagen voraussetzt.
In diesem L-förmigen Szenario würde die Erholungskurve nach der Krise ein wenig wie ein gefallenes L aussehen. Nach Analysen von Bain & Company bräucht es bis insgesamt 2024, um eine Inlandsnachfrage von 95 Prozent des Vorkrisenniveaus verzeichnen zu können. Das internationale und globale Passagieraufkommen hätte bis dato lediglich 70 Prozent seines Vorkrisenniveaus erreicht, was eine dramatische wirtschaftliche Entwicklung mit sich ziehen würde. Nach Informationen des Beratungsunternehmens McKinsey & Company würde dieses Szenario eine Mischung aus gescheiterten Interventionen im Bereich der öffentlichen Gesundheit und absolut unwirksamen wirtschaftlichen Massnahmen bedeuten. Prognostiziert wird hier eine massive Eskalation der Pandemie, gefolgt von einem lang anhaltenden Abschwung – ohne jegliche wirtschaftliche Erholung oder gar langsames, aber langfristiges Wachstum.
Fazit zu den drei möglichen Szenarien zur Krisenerholung laut IATA
Mit Krisenprognosen ist das immer so eine Sache. Verständlicherweise wird man sich erst einmal dazu geneigt fühlen, dem am wenigsten dramatischen Szenario Glauben zu schenken – oder sollten wir lieber von Hoffnung sprechen? Es ist sicherlich nachvollziehbar, dass sich wirtschaftliche Einbrüche, wie sie die Luftfahrtindustrie in den vergangenen Wochen und Monaten verzeichnet, nicht über Nacht erholen werden. Und doch sind es positive Nachrichten, wenn die internationalen Führungskräfte der Branche den schlimmst-möglichen Ausgang der aktuellen Krisensituation als nicht wahrscheinlich einstufen. Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, mit welcher Dynamik sich die Zahlen erholen werden. Bis dahin gilt allerdings weiterhin: Ruhe bewahren – und das bestenfalls von zuhause aus!