Im Rahmen unserer aireg Mitgliedschaft haben wir die Möglichkeit mit vielen spannenden Persönlichkeiten aus der Luftfahrtbranche in Kontakt zu treten und uns gemeinsam darüber auszutauschen, was wir in Zukunft von Sustainable Aviation Fuels (SAF) erwarten können.

Dazu haben wir eine kleine Interviewreihe ins Leben gerufen, in der wir die verschiedensten Akteure im Bereich der nachhaltigen Flugkraftstoffe zu ihren beruflichen Tätigkeitsfeldern sowie den Herausforderungen und Perspektiven der Luftfahrt befragt haben. Mein heutiger Gast ist Dr. Dietmar Posselt von der Aviation Fuel Projects Consulting – einem Beratungsunternehmen für alle Fragen rund um Kraftstoffe und Additive. Durch seine langjährige Erfahrung hat er einen umfassenden Überblick über alles, was sich in den letzten Jahren bezogen auf SAF getan hat – vor allem aber im Bereich der Zulassung von nachhaltigen Flugkraftstoffen.

Herr Dr. Posselt, können Sie sich und Ihre Arbeit kurz vorstellen? Wie kamen Sie mit SAF in Berührung?

Ich war über 26 Jahre bei BASF in verschiedenen Stationen tätig, wo ich unter anderem zahlreiche Kraftstoff-Projekte geleitet habe. Vor viereinhalb Jahren habe ich mich selbstständig gemacht mit meiner GmbH & Co. KG – der Aviation Fuel Projects Consulting. Gleichzeitig gebe ich noch Vorlesungen an der Hochschule München.

Mit Kraftstoffen habe ich seit über 30 Jahren zu tun. Das klingt natürlich erstmal ganz schön lange und man könnte meinen, es würde langweilig werden. Aber das ist so ein spannendes Gebiet. Die Technologie entwickelt sich weiter, die Kraftstoffe müssen sich anpassen, die Gesetzgebung ändert sich – dann muss man erneut die Kraftstoffe anpassen. Das ist ein ständiges Wechselspiel und es wird nie langweilig. Alles, was ich über die Jahre mitnehmen konnte, lasse ich nun in meine Arbeit bei der Aviation Fuel Projects Consulting einfliessen. Vor allem unterstütze ich dort als Berater internationale Unternehmer bei technischen und marktbezogenen Fragen zu allen Arten von Kraftstoffen. Meine Hauptzielgruppen sind dabei Kraftstoff- und Additivhersteller, Zulieferfirmen, Luftfahrtgesellschaften, Flughafen- und Luftfahrtbehörden sowie Analytikfirmen. Ausserdem betreue ich auch Start-ups und Forschungsteams dabei, dass sie tiefer in das Themenfeld der Kraftstoffe kommen.

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Dann sind Sie ja wirklich schon lange dabei. Doch wie sind Sie dann nach all den Jahren zu aireg gekommen?

Ich bin jetzt schon vier Jahre bei aireg. Kurz nach meinem Einstieg dort wurde ich dann gefragt, ob ich freiwillig einen Arbeitskreis – den Arbeitskreis Nachhaltigkeit – leiten möchte. Ich bin kein Fachmann in Sachen Nachhaltigkeit, aber gemeinsam mit einer Kollegin habe ich das dann gemacht und auch in dieser Zeit noch einmal eine ganz neue Vernetzung erfahren und enorm viel dazulernen können. Dadurch bin ich jetzt auch nochmal ganz neu auf viele Projekte innerhalb Deutschlands im Bereich der SAF aufmerksam geworden und bei einigen bin ich auch dabei.

In diesem Arbeitskreis Nachhaltigkeit, arbeiten wir derzeit zum Beispiel an der Erstellung einer Übersicht für all unsere Mitglieder, die zeigt, wie es eigentlich in den jeweiligen EU-Ländern mit den gesetzlichen Regularien aussieht. Zum einen die Regularien bezüglich der Zulassung von synthetischen Kraftstoffen für die Luftfahrt aber auch Regularien wie etwa RED II oder Anforderungen Flughäfen bezüglich SAF. Damit wollen wir ein Dokument schaffen, wo jeder schnell einen Überblick hat. Denn wir sind über 30 Mitglieder und diskutieren sehr divers. Dabei haben wir natürlich alle unterschiedliche Schwerpunkte und arbeiten auch an unterschiedlichen Dingen, haben andere Interessen – aber unser aller Hauptinteresse ist natürlich, die nachhaltigen Flugkraftstoffe in den Verkehr zu bringen. Und dadurch, dass ich schon so lange in der Branche bin, kenne ich viele Leute und kann gut vermitteln, wenn es darum geht, wer genau angesprochen werden muss, vor allem wenn es um die Zulassung von synthetischen Flugkraftstoffen geht.

Sie sprechen hier vor allem die Zulassung an. Ist dies etwas, das Sie in ihrem beruflichen Alltag hauptsächlich beschäftigt? Worum geht es da genau?

Ich habe mehrere Spezialthemen, aber es ist so ein ganz spezieller Aspekt, bei dem ich auch oft als Fachmann hinzugezogen werde. Es ist sicherlich oben auch schon angeklungen. Und zwar geht es darum, dass ich Firmen auf ihrem Weg berate, neue synthetische Kraftstoffe für die Luftfahrt zuzulassen. In der Luftfahrt geht alles um Sicherheit – das ist das Thema Nummer 1. Ganz schlechtes Beispiel ist da natürlich die Boeing 737 MAX Krise. Aber es ist jetzt ein absolutes Negativbeispiel, Gott sei Dank läuft es ja eher andersherum. Man testet vorher alles auf Herz und Nieren und es gucken viele Leute drüber, bevor überhaupt was geändert wird in einem Flugzeug, selbst wenn Sie nur eine Schraube ändern wollen.

Und der Kraftstoff, den gibt es natürlich nur einmal an Bord. Selbst Motoren gibt es mehrere, ein Flugzeug kann auch nur mit einer Turbine fliegen. Aber wenn der Kraftstoff ausfallen würde, aus welchem Grund auch immer, sodass er zum Beispiel nicht mehr in ausreichender Menge in die Brennkammer gelangt – dann hat man ein Problem. Das heisst, auch diese Kraftstoffe werden über bestimmte internationale Regularien geregelt. Das läuft alles in Amerika. Da sitzen Kraftstoffspezialisten aus verschiedensten Fachbereichen und Ländern gemeinsam an einem Tisch. Die, die Flugzeuge bauen, die die Motoren bauen, die Hersteller von Kraftstoffen und viele mehr. Die Teilnehmer sitzen in gleichen Arbeitskreisen zusammen und müssen gemeinsam, obwohl sie zum Teil Konkurrenten sind, dafür sorgen, dass der Kraftstoff in jeder Situation sicher bleibt. Die Qualität und Sicherheit von Kraftstoffen ist nicht verhandelbar und muss weltweit gelten. Wenn Sie in Frankfurt oder in Berlin in den Flieger steigen und nach Shanghai fliegen, dann wollen Sie ja, dass der Kraftstoff in China für den Rückflug von der gleichen guten Qualität und Sicherheit ist wie der, den Sie in Berlin getankt haben.

Wie wird das denn weltweit sichergestellt?

Alles wird von der internationalen Standardisierungsorganisation ASTM zugelassen. Hier bin ich auch Mitglied im Bereich der Kraftstoffe. Ich war bereits in 2006 oder 2007 in diesen Arbeitszirkeln in Amerika dabei, als der Trend anfing, synthetische, nachhaltige Kraftstoffe, die nicht auf Erdöl basieren, für die Luftfahrt zu entwickeln. Ich kam dazu durch meine Arbeit bei BASF, wo mein Hauptaufgabengebiet die Additiv-Seite war, also die Zusatzstoffe, die den Kraftstoff besser machen – oder nachhaltiger.

Und diese Arbeitsgruppen und diese Regularien, nach denen einen Kraftstoff zugelassen wird, der hat sich von Grund auf weiterentwickelt und das habe ich mitbekommen. Wenn Sie anfangs vielleicht sechs bis acht Jahre brauchten, um sowas Neues zuzulassen, ist man jetzt aufgrund der Erfahrungen, die man gemacht hat, so weit, einen neuen synthetischen Kraftstoff in bestimmten Fällen innerhalb von zwei Jahren zuzulassen. Es gibt da mittlerweile auch so etwas wie einen Fast Track Approval. Das geht zum Beispiel für bestimmte Typen von Kraftstoffen, die sehr ähnlich zu solchen Kraftstoffen sind, die vor kurzem zugelassen wurden. Nichtsdestotrotz kann es auch immer noch mal fünf oder sechs Jahre dauern. Das heisst, man braucht einen langen Atem. Man braucht Geld und man braucht eine Vision. Wenn eine Firma sagt, ich will schnellen Erfolg haben und damit Geld machen, dann ist sie da auf dem Gebiet nicht richtig aufgehoben. Man kann immer scheitern, man kann auch kurz vor Schluss noch scheitern. Aber wenn man Erfolg hat, dann ist man natürlich einer unter wenigen, die damit auch Geld verdienen.

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Vor welchen Herausforderungen stehen wir aktuell noch bei den SAF?

Noch sind die synthetischen Kraftstoffe alle viel teurer als die, die auf Erdöl basieren. Das liegt nicht nur am niedrigen Erdölpreis und Corona, sondern das war vorher auch schon so. Was aber auch spannend zu beobachten ist, ist wie schwierig es für neue Hersteller von synthetischem Kerosin ist, in den Markt einzutreten beziehungsweise dort langfristig zu bleiben. Dazu vielleicht folgendes Beispiel: Ich kenne einen Fall, wo eine ganz innovative Firma in Brasilien ein Verfahren entwickelt hat, das auf Zuckerrohr basiert. Der daraus gewonnene Ausgangsstoff wird in Brasilien auch schon seit Jahrzehnten für Sprit in Autos eingesetzt. Während das Verfahren sich nun im Zulassungsprozess befand, wurde festgestellt, dass man da so einen Spezialstoff hat, bei dem man das Vielfache an Gewinnen erzielen kann, wenn man ihn in der Pharma- oder Kosmetikindustrie einsetzt. Hier war also definitiv das Problem, dass die Zulassung für den Einsatz in der Luftfahrt lange gedauert hat und im Endeffekt nur 10 Prozent des Produktes zum normalen Kerosin beigemischt werden durften. Das Start-up hat natürlich das Potenzial des Stoffes für die anderen Industrien, in denen nicht solche Hürden zu überwinden sind, genutzt und hat sich schlussendlich ganz aus dem Bereich der Luftfahrt zurückgezogen. Ganz generell besteht zurzeit die Herausforderung, dass es die erforderlichen Anlagen zur Herstellung der benötigten SAF-Mengen noch nicht gibt. Hier spielen einige Faktoren eine Rolle, die das „Henne-Ei-Problem“ ausmachen. Kürzlich hat aireg das sehr eindrucksvoll in einer Roadmap beschrieben und mögliche Auswege aus diesem Dilemma aufgeführt.

So etwas ist natürlich nicht das, was man sich wünscht. Hat sich Ihrer Meinung nach in den letzten Jahren etwas getan, sodass die Entwicklung und der Einsatz von SAF global als wichtig angesehen werden?

Ja, ich sehe da durchaus einen Aufschwung. Es gibt so zwei Aspekte anhand derer ich das festmachen kann. Der eine ist einfach rein formal, dass sich dieser Zulassungsprozess verkürzt hat, wovon ich vorhin berichtet habe. Das andere, was ich beobachten konnte, ist, dass grosse Mineralölkonzerne, mit denen ich ja seit vielen Jahren zu tun habe, sich inzwischen selbst auf die Fahnen geschrieben haben, bis 2050 Carbon neutral zu produzieren oder Produkte bereitzustellen, die CO2-neutral sind. Dafür haben diese Firmen in den letzten Jahren eigene Fachabteilungen gegründet, die sich zum Beispiel nur noch mit Wasserstoff beschäftigen. Aber natürlich spielt auch der gesellschaftliche Druck eine Rolle. Der ist auch ein wichtiger Faktor, insbesondere um diejenigen auf gewisse Themen aufmerksam zu machen, die jahrelang andere Werte vertreten haben.

Wie schätzen Sie die zukünftige Entwicklung ein?

Gerade aus meinem Bereich der Kraftstoffzulassung kann ich sagen, dass sich noch einiges entwickeln wird in den nächsten Jahren. Aktuell gibt es ja gerade einmal sieben verschiedene, zugelassene Routen, wie synthetischer Kraftstoff hergestellt werden kann. Das ist aber noch lange nicht das Ende, da ist noch einiges mehr in der Pipeline. Hier erwarte ich, dass es durchaus noch zweistellig werden kann. Da gibt es genügend Möglichkeiten und vor allem auch Firmen, die Ideen haben. Das muss auch so sein, denn wir werden viele Verfahren parallel zueinander haben. Die einen benötigen beispielsweise Holz, Abfälle oder Schlachtreste, wieder andere benötigen ganz andere Rohstoffe. Wir werden also eine Palette von vielen kleinen und grossen Anbietern von SAF bekommen, die weltweit verstreut sind. Es wird sich also noch einiges am Markt verändern müssen, damit wir es schaffen, unsere Umwelt zu schonen und nicht weiter so zu belasten, wie wir es derzeit tun.

Fazit zum Gespräch mit Dr. Posselt über die Zulassung nachhaltiger Flugkraftstoffe

Es war ein sehr interessantes Gespräch, das ich mit Herrn Dr. Posselt führen durfte. Dabei hat er über einen Bereich der SAF berichtet, der in der generellen Berichterstattung häufig nicht so viel Aufmerksamkeit erhält: die aufwändige Zulassung der Flugkraftstoffe. Besonders interessant ist dabei der Aspekt, dass sich innerhalb der letzten Jahre zumindest an der Schnelligkeit des Prozesses etwas getan hat und man in der Zukunft mit einem weiteren Zuwachs an Herstellungsverfahren von SAF rechnen kann.

Autor

Wenn Anna unterwegs ist, ist sie in ihrem Element. Selten ist sie mehr als ein paar Tage am selben Ort. Der nächste Kurztrip oder eine Fernreise stehen immer schon in ihrem Kalender. Nach ihrem Tourismus-Studium konnte sie ihre Leidenschaft zum Beruf machen und teilt ihre Erfahrungen, Tipps und News aus der Reisewelt mit euch.

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