Das Coronavirus bringt aktuell Millionen Reisepläne durcheinander. Werden Flüge abgesagt, erhalten Passagiere normalerweise auch eine Erstattung. Doch gilt das auch dann, wenn die Airline die Flüge wegen des Virus absagen muss?

Die Fluggastrechte in der Europäischen Union und auch weltweit sind seit jeher ein Thema. Dabei weigern sich Fluggesellschaften seit Jahren oftmals auch dann, wenn eine Entschädigung oder Erstattung an einen Passagier klar vorgesehen ist, diese zu leisten. In der Corona-Krise hat sich das noch einmal verschärft, eine Erstattung bietet aktuell kaum mehr eine Fluggesellschaft. Doch wie ist die Rechtslage und was bedeutet das für Passagiere?

Um eine Rechtsberatung handelt es sich hierbei nicht, wir versuchen Euch mit unseren Erfahrungen und unserer Interpretation der Rechtslage dennoch so gut es geht zu helfen.

Wann greift die EU-Verordnung überhaupt bei stornierten Flügen?

Wichtig ist es erst einmal darauf zu blicken, wann die EU-Verordnung (EG) Nr. 261/2004 überhaupt greift. Hierbei handelt es sich um die seit nun mehr eineinhalb Jahrzehnten gültige Fluggastrechte-Verordnung, auf die sich auch in “normalen” Zeiten Ansprüche auf Erstattung und Entschädigung geltend machen lassen. Grundlegend gültig ist die Verordnung in diesen Fällen:

  • Abflug innerhalb der Europäischen Union
  • Flug mit einer Fluggesellschaft aus der Europäischen Union

Wirkung entfaltet die Verordnung darüber hinaus auch dann, wenn der Abflug in der Europäischen Union stattfindet, der Weiterflug ab einem Drittland geht, allerdings auf demselben Ticket ist. Das gilt etwa dann, wenn Euer Flug von Frankfurt nach Dubai stattfindet, der Weiterflug von Dubai nach Tokio aber abgesagt wird. Die EU-Verordnung gilt wortgleich auch in der Schweiz, da sie in nationales Recht übernommen wurde. Als Schlichtungsstelle fungiert hier das Bundesamt für Zivilluftfahrt, durchgesetzt werden müssen Ansprüche allerdings im Zweifel zivilrechtlich. Hierbei gilt es aber zu beachten, dass die Schweiz nur eine sogenannte Übernahme der Verordnung unterzeichnet hat. Heißt konkret: Zwar gilt der Text der Verordnung, aber nicht die Urteile des Europäischen Gerichtshofs, der einige Teile noch einmal klarer ausgelegt hat. Zuständig ist in Streitfällen ist in diesen Fällen die Schweizer Gerichtsbarkeit, wodurch es zu anderen Auslegungen kommen kann.

Zuletzt sei in dieser Hinsicht noch darauf hingewiesen, dass vergleichbare Gesetze auch in anderen Ländern existieren. Zwar unterscheiden sich die Details vielfach, aber beispielsweise hat auch Kanada einen umfassenden Katalog an Passagierrechten. Wann genau die jeweiligen Landesgesetze Anwendung finden und was sie genau besagen, würde an dieser Stelle allerdings zu weit führen. Dennoch lohnt es sich für Betroffene unter Umständen auch einen Blick auf die jeweilige Gesetzeslage des Abfluglandes oder des Landes der Airline zu werfen. Beachtet dabei aber bitte, dass der Gerichtsstand in einem möglicherweise anhängigen Verfahren dann jeweils dieses Land wäre.

Gelten die Fluggastrechte auch während der Coronakrise?

Ohne Zweifel stellt das Coronavirus eine Situation dar, die es so noch nicht gab – mit entsprechenden Folgen für Passagiere und Fluggesellschaften. Üblicherweise können Passagiere bei einer Stornierung eines Fluges vereinfacht gesagt eine der folgenden drei Optionen wählen:

  • eine kostenfreie Stornierung mit vollständiger Erstattung des Reisepreises
  • eine Umbuchung, die einen schnellstmöglich ans geplante Ziel bringt
  • eine Umbuchung auf ein beliebiges anderes Datum im Wunsche des Passagiers

Bei der Umbuchung gibt es noch einmal Abstufungen je nachdem, wie viele Tage im Voraus ein Flug storniert wurde. Darüber hinaus haben Passagiere üblicherweise die Möglichkeit, bei einer Stornierung weniger als 14 Tage vor Abflug eine Entschädigung abhängig von der Flugdistanz zu fordern. Diese liegt zwischen 250 und 600 Euro pro Flugrichtung. Dies gilt allerdings grundlegend nicht bei einem sogenannten außergewöhnliche Umstand. Hierzu gehören beispielsweise Naturkatastrophen und vermutlich auch Pandemien wie das Coronavirus. Der Europäische Gerichtshof hat hierzu noch kein Urteil gebildet, diese Interpretation der Rechtslage ist aber ohne Zweifel erwartbar.

Swiss 777 Flugzeug
Entschädigungen während der Coronakrise sind eher unwahrscheinlich

In von der Europäischen Kommission veröffentlichten Leitlinien (Achtung: Diese sind für den Europäischen Gerichtshof nicht bindend und stellen nur eine Interpretationshilfe dar – dies gilt analog auch für Schweizer Gerichte, die sich an diese Leitlininen nicht halten müssen) heißt es konkret:

Nach Auffassung der Kommission sind die Maßnahmen, die Behörden zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie ergreifen, ihrer Art und Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit von Beförderern und von diesen tatsächlich nicht zu beherrschen.

Im Detail beschäftigen sich die Leitlinien auch damit, was passiert, wenn ein Flug nicht primär wegen des Virus und daraus resultierenden Verboten (z.B. Einreise- oder Ausreiseverbote), sondern wegen einem Rückgang der Nachfrage storniert wurde. Hierbei ist nicht gänzlich klar, ob möglicherweise ein Anspruch auf eine Entschädigung besteht, zu entscheiden haben das schlussendlich im Einzelfall die Gerichte. Ich würde allerdings davon ausgehen, dass die Entschädigungen im Sinne der Fluggastrechte-Verordnung im Falle des Coronavirus generell nicht gelten. Ausnahmen mögen hier allerdings die Regel bestätigen, sodass man sich im Zweifel zumindest juristisch beraten lassen kann.

Wichtiger ist für viele Passagiere aber sicherlich sowieso eher, dass sie ihr Geld zurückerhalten. Hierbei ist wichtig, dass außergewöhnliche Umstände konkret kein Grund sind, aus dem Fluggesellschaften eine Erstattung des Reisepreises oder eine Umbuchung verweigern können. Generell gibt es in der Fluggastrechte-Verordnung keine Ausnahme dafür, dass Fluggesellschaften eine Erstattung anbieten müssen. Dasselbe gilt auch für Verpflegungsleistungen, die bei einer Annullierung geleistet werden müssen – etwa Übernachtungen in Hotels oder Essen bis zum nächstmöglichen Flug. Was die genaue Interpretation dieser Regelungen in Hinblick auf die Coronakrise ist, lässt sich erneut aus den Leitlinien herauslesen, wenngleich auch hier noch einmal der Hinweis erlaubt sei, dass diese nicht rechtsverbindlich sind.

Die Leitlinien erklären dabei, dass eine Umbuchung unter Umständen zum frühestmöglichen Zeitpunkt möglicherweise seitens der Airline abgelehnt werden kann, da diese in der aktuellen Situation nicht gewährleistet werden kann. Die beiden anderen Möglichkeiten, eine Erstattung oder eine Beförderung zu einem späteren Zeitpunkt im Wunsche des Passagieres, müssen dennoch angeboten werden. Konkret heißt es hierzu in den Leitlinien:

Daher könnten Passagiere eine Erstattung des Fahr- bzw. Flugpreises oder eine anderweitige Beförderung zu einem späteren Zeitpunkt „nach Wunsch des Passagiers“ präferieren.

Während die Leitlinien nicht konkret darauf eingehen, ob eine Erstattung in jedem Fall gewährt werden muss (wohl, weil dies sowieso zu Grunde gelegt wird), heißt es in einem anderen Abschnitt:

Diese Situation [es geht dabei um eine Annullierung einer Reise seitens eines Kunden und nicht der Airline] ist von der Situation zu unterscheiden, in der der Beförderer die Reise annulliert und anstelle der Wahl zwischen Erstattung und anderweitiger Beförderung lediglich einen Gutschein anbietet. Schlägt der Beförderer einen Gutschein vor, so kann ein solches Angebot das Recht des Reisenden, sich für eine Erstattung zu entscheiden, nicht beeinträchtigen.

Konkret lässt sich demnach zusammenfassen, dass auch im Rahmen des Coronavirus weiterhin ein Anrecht auf eine komplette Stornierung des Reisepreises besteht, wenn ein Flug seitens der Fluggesellschaft annulliert wurde. Deshalb kann es teilweise auch sinnvoll zu sein, abzuwarten ob eine Fluggesellschaft einen Flug im Laufe der nächsten Wochen annulliert. Im Rahmen der Corona-Krise haben viele Airline die Flüge nur für einige Tage oder Wochen gestrichen und führen dies graduell fort – weitere Streichungen sind also sehr wahrscheinlich und können dann auch einen Anspruch auf eine vollständige Erstattung begründen.

Kann die Fluggesellschaft eine Umbuchung oder einen Gutschein statt einer Erstattung anbieten?

Die allermeisten Fluggesellschaften verwähren aktuell Erstattungen für Flugtickets. Ob bei der Lufthansa Group, Air France-KLM, British Airways, Emirates, Air Canada oder Singapore Airlines – bei keiner der Airline taucht die Möglichkeit zur Erstattung mehr auf entsprechenden Seiten auf. Stattdessen werden entweder Umbuchungen oder Gutscheine angeboten, Geld zurück gibt es für Kunden nicht mehr. Die Swiss ist hier teilweise eine positive Ausnahme, da sie über die Hotline noch kostenfreie Erstattungen zulässt. Hier sei noch einmal auf die oben genannte Formulierung verwiesen, die klar macht, dass eine Erstattung einem Kunden auch weiterhin zustehen sollte – auch dann, wenn ein Gutschein oder eine Umbuchung angeboten wird. Ein Kunde muss dieses Angebot also nicht annehmen und kann weiterhin auf eine Erstattung beharren.

Swiss Airbus A320
Gutscheine und Umbuchungen ersetzten keine Erstattung

Relevant ist hier auch, dass eine Erstattung bei einem gestrichenen Flug auch noch nach Antritt des Flugdatums eingefordert werden muss. Es ist also nicht entscheidend, ob man aktuell bei der Hotline durchkommt, um eine Erstattung zu erzwingen. Sinnvoll kann es unter Umständen deshalb auch sein, eine Erstattung schriftlich einzufordern. Dies ist teilweise auch per E-Mail, über Online-Kontaktformulare oder etwa bei der Lufthansa auch über den Postweg möglich.

Muss auch ein Rückflugticket erstattet werden, wenn der Hinflug nicht stattfindet?

Relevant ist in der Interpretation der EU-Verordnung auch, was passiert, wenn ein Rückflugticket nicht innerhalb der Europäischen Union startet und auch nicht von einer Fluglinie aus der Europäischen Union durchgeführt wird. In diesem Fall könnte es also sein, dass nur der Hinflug unter die EU-Verordnung fällt, da der Geltungsbereich sonst nicht erfasst wird. Hier allerdings ist ein Blick auf die Verordnung relevant, in welcher dieser Fall geregelt ist. Konkret heißt es:

Wird auf diesen Artikel Bezug genommen, so können Fluggäste wählen zwischen

a) – der binnen sieben Tagen zu leistenden vollständigen Erstattung der Flugscheinkosten nach den in Artikel 7 Absatz 3 genannten Modalitäten zu dem Preis, zu dem der Flugschein erworben wurde, für nicht zurückgelegte Reiseabschnitte sowie für bereits zurückgelegte Reiseabschnitte, wenn der Flug im Hinblick auf den ursprünglichen Reiseplan des Fluggastes zwecklos geworden ist

– einem Rückflug zum ersten Abflugort zum frühestmöglichen Zeitpunkt,

b) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt oder

c) anderweitiger Beförderung zum Endziel unter vergleichbaren Reisebedingungen zu einem späteren Zeitpunkt nach Wunsch des Fluggastes, vorbehaltlich verfügbarer Plätze.

Demnach muss eine Erstattung für den gesamten Hin- und Rückflug erfolgen, wenn der Hinflug nicht stattfindet und der Rückflug damit zwecklos geworden ist. In diesem Fall greift die EU-Verordnung dann auch für den gesamten Hin- und Rückflug, auch wenn Letzterer möglicherweise nicht im Geltungsbereich liegen würde. Dies gilt allerdings nur dann, wenn beide Flüge auf einem Ticket gebucht wurden.

Wie komme ich an eine Erstattung, wenn die Fluggesellschaft sich weigert?

Das größte Problem in der aktuellen Situation ist für viele Reisende, dass sie keine Möglichkeit haben, an die ihnen rechtlich zustehende Erstattung zu kommen. Wie bereits angesprochen, bietet kaum eine Airline die Möglichkeit zur Erstattung – vielmehr wird so getan, als wäre diese Option gar nicht vorgesehen. Wer die Lufthansa Hotline anruft, wird darauf verwiesen, dass es aktuell keine Erstattung gäbe. Bei Swiss heißt es auf Twitter, dass eine Erstattung zwar weiter vorgesehen ist, momentan aber nicht bearbeitet werden kann. Was all das genau bedeuten soll, bleibt unklar. Manche Airlines lehnen Erstattungen aktuell sogar kategorisch ab.

Solltet Ihr in dieser Situation sein, würde ich das folgende Vorgehen vorschlagen:

  • Schreibt der Airline auf schriftlichem Wege, dass Ihr eine Erstattung für den entsprechenden Flug auf Grund der Streichung verlangt und bezieht Euch hierbei auf die EU-Verordnung

Sollte hier nach einigen Wochen (schneller erscheint aktuell nicht realistisch) keine Antwort vorliegen, würde ich wie folgt weiter vorgehen:

  • Bezieht entweder einen Anwalt ein und lasst diesen ein weiteres Schreiben verfassen oder wendet Euch an Spezialisten wie Flighright

Sollte auch dieser Umstand nicht weiterhelfen, kann man sich noch an die Schlichtungsstelle wenden. Beachtet dabei bitte, dass nicht alle Airlines Mitglied bei dieser sind. Sofern alle Wege erschöpft sind, kann auch eine Klageerhebung eine Möglichkeit sein, sofern Euer juristischer Beistand die Chancen auf eine Erstattung hoch einschätzt, was in Anbetracht der Rechtslage der Fall sein sollte.

Eine weitere Option stellt teilweise ein sogenannter Chargeback dar, sofern Ihr mit der Kreditkarte bezahlt habt. Diese Möglichkeit besteht mit Karten von Visa, Mastercard und American Express gleichermaßen. Die Logik dahinter ist, dass Ihr Geld zurückfordern könnt, sofern eine Leistung nicht erbracht wurde. Ob alle Bedingungen in diesem Fall erfüllt sind, lässt sich nicht komplett klären. Zumindest American Express handelt nach uns vorliegenden Berichten allerdings bislang sehr kundenfreundlich. Welche Dokumente Ihr für einen Chargeback benötigt und wie Ihr diesen einleitet, erfahrt Ihr direkt bei der kartenausstellenden Bank.

Muss der Flugpreis bei einer Stornierung des Passagiers erstattet werden?

Neben einer Stornierung durch die Fluggesellschaft gibt es aktuell immer wieder auch den Wunsch, eine Reise seitens des Passagiers zu stornieren, etwa wegen Unsicherheiten oder schlichtweg der allgemeinen Situation. Hier ist die Rechtslage leider signifikant weniger verbraucherfreundlich. Konkret heißt es hierzu in den Leitlinien der Kommission:

Die EU-Verordnungen über Passagierrechte regeln nicht Situationen, in denen Passagiere entweder nicht reisen können oder von sich aus eine Reise annullieren möchten. Ob Reisende in solchen Fällen eine Erstattung erhalten oder nicht, hängt von der Art des Flug- bzw. Fahrscheins (erstattungsfähig, Möglichkeit der Umbuchung) gemäß den Geschäftsbedingungen des Beförderungsunternehmens ab.

Das heißt konkret, dass Passagiere bei einer eigenmächtigen Stornierung einer Reise keinen Anspruch auf eine Erstattung im Sinne der EU-Verordnung haben, auch eine Umbuchung muss nicht angeboten werden. Deshalb ist es so wichtig, mit einer Stornierung der Reise darauf zu warten, bis die Fluggesellschaft einen Flug streicht. Sollte sie dies allerdings nicht tun und den Flug dennoch durchführen, müssen Reisende diesen entweder antreten oder auf eine Erstattung verzichten – zumindest, wenn man der Interpretation der EU-Kommission folgt, die wie zuvor bereits angemerkt nicht rechtsverbindlich ist.

Es gelten bei einer Stornierung seitens des Passagiers ohne eine vorige Annullierung des Fluges demnach die normalen Beförderungsbedingungen, eine Stornierung mit Erstattung ist demnach nur dann möglich, wenn der jeweilige Vertrag das auch hergibt. Generell allerdings muss die Fluggesellschaft analog zu Stornierungen seitens des Kunden in regulären Situationen alle Steuern und Gebühren erstatten. Teilweise ist über Unternehmen wie Geld-für-Flug auch noch eine darüber hinausgehende Erstattung, etwa des Treibstoffzuschlags, möglich. Über diesen Umweg lassen sich teilweise auch Gebühren von Online-Reisebüros umgehen. Diese können bei einer Stornierung je nach AGB auch weitere Gebühren erheben.

Können Passagiere wegen Einreisebeschränkungen kostenlos stornieren?

Wer sich den oben aufgeführten Abschnitt aus den Leitlinien der Kommission genau ansieht, liest dabei, dass eine Erstattung auch dann nicht möglich ist, wenn Passagiere überhaupt nicht einreisen dürfen. Dieser Sachverhalt wird seitens der EU-Verordnung nicht geregelt, sodass Passagiere im ersten Moment kein Anrecht auf eine Erstattung des Flugpreises im Sinne der Verordnung haben. Hier greifen dann wie im letzten Absatz genannt die Bedingungen des Tickets, sodass unter Umständen nur eine Erstattung im Sinne der Ticketbedingungen und / oder der Steuern und Gebühren des Tickets möglich ist.

Hierbei allerdings gilt es besonders darauf zu verweisen, dass die Leitlinien nur eine Interpretation der geltenden Rechtslage und des Umfangs der EU-Verordnung sind. So ist klar die Rede davon, dass die EU-Verordnung diesen Sachverhalt “nicht regelt”, was keineswegs auch gleichbedeutend damit ist, dass Passagiere in diesem Fall nicht dennoch ein Anrecht auf eine Erstattung haben könnte. Vielmehr bedeutet dies nur, dass dieser Fall in der Verordnung nicht bedacht wurde und es somit einer genaueren Festlegung eines Gerichtes bedarf.

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Eine Stornierung wegen Einreisebeschränkungen ist nicht von der Verordnung gedeckt

Dies bedeutet im Umkehrschluss auch: Eine Erstattung bei einem Einreiseverbot und dennoch stattfindenden Flug könnte dennoch möglich sein, allerdings bedarf es hierfür vermutlich eines entsprechenden Urteils des Europäischen Gerichtshof zur Klarstellung des Sachverhalts. Bis dahin werden Fluggesellschaften eine Erstattung in dieser Konstellation vermutlich ablehnen.

An dieser Stelle sei darauf verwiesen, dass Fluggesellschaften in diesem und auch dem oben genannten Fall einer freiwilligen Stornierung aktuell Gutscheine oder Umbuchungen zu einem späteren Zeitpunkt anbieten. Es kann auf Grund der rechtlichen Unsicherheit der bessere Weg sein, sich für diese zu entscheiden statt auf eine mögliche Erstattung nach einem entsprechenden Urteil zu hoffen.

Darf eine Umbuchung mit zusätzlichen Kosten verbunden sein?

In vielen Fällen bieten Fluggesellschaften aktuell statt einer Erstattung nur Gutscheine oder Umbuchungen an. Bei Umbuchungen heißt es etwa bei der Eurowings:

Umbuchungsgebühren entstehen natürlich weiterhin nicht, egal welcher Tarif gebucht wurde. Sollte der umgebuchte Tarif aufgrund einer Änderung beispielsweise der Destination, Wechsel der Reiseklasse oder ähnlichem, teurer sein, kann eine Aufzahlung erforderlich werden.

Hierbei ist zwar die Rede davon, dass keine Umbuchungsgebühren anfallen. Gleichzeitig allerdings zeigt sich in der Praxis ein anderes Bild: Bei einer Umbuchung auf ein Datum in der Zukunft sind die Flugpreise oftmals höher, weil etwa die Buchungsklasse nicht mehr verfügbar ist – dann muss der Kunde den entsprechenden Aufpreis tragen. Dies ist bei einer Stornierung seitens der Airline nicht hinzunehmen, denn eine Umbuchung auf ein zukünftiges Datum muss kostenfrei erfolgen – auch dann, wenn die ursprüngliche Buchungsklasse nicht mehr verfügbar ist.

Anders ist die Situation erneut dann, wenn man die Kulanzregelung für einen noch nicht gestrichenen Flug nutzt, dann bestehen auch keine Rechte im Sinne der Fluggastrechte-Verordnung. Ebenfalls ist es möglicherweise rechtlich akzeptabel, dass zusätzliche Gebühren bei einem Wechsel der Reiseklasse (von Economy in Business) oder der Destination anfallen. Zu einer endgültigen Klärung bedarf es aber auch hier eines entsprechenden Urteils.

Weiterhin ist zu beachten, dass bei Annahme dieses “Angebots” der Airline unter Umständen der Anspruch auf eine Erstattung erlischt. Hier muss die Airline einen Kunden aber eigentlich über alle Rechte belehrt haben, also auch dass eine Erstattung möglich ist. Da dies allerdings fast alle Airlines nicht tun, ist davon auszugehen, dass ein nachträglicher Erstattungsanspruch auch dann bestehen kann, wenn man ein Ticket jetzt umbucht oder sich für einen Gutschein entscheidet. Auch hier allerdings ist eine Klärung seitens eines Gerichts erforderlich.

Müssen Online-Reisebüros Tickets kostenlos erstatten?

Eine Erstattung eines Flugtickets muss immer direkt beim jeweiligen Vertragspartner erfolgen. Habt Ihr direkt bei der Fluggesellschaft gebucht, muss diese auch die Erstattung des Tickets vornehmen. Sofern Ihr dagegen bei einem (Online)-Reisebüro gebucht habt, erfolgt die Erstattung auch über eben jenes. Das ist oftmals problematisch, denn viele Reisebüros sind aktuell nicht nur überlastet, sondern nehmen für die Dienstleistung einer Erstattung oder Umbuchung eines Tickets auch eine Gebühr. Hier ist wiederum rechtlich ein Unterschied zwischen einer gewünschten Stornierung (seitens des Kunden) oder einer gezwungenen Stornierung (seitens der Airline zu machen).

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Auch bei Buchungen über Online-Reisebüros sind Erstattungen vorgesehen

Sofern ein Online-Reisebüro bei einer gezwungenen Stornierung eine Erstattung für einen Kunden in die Wege leiten muss, darf hierfür keine Gebühr erhoben werden. Stattdessen muss der vollständige Ticketpreis erstattet werden, das jeweilige Reisebüro hat dies bei der Fluggesellschaft anzuzeigen. Sofern die Erstattung seitens des Kunden auf dessen Wunsch erfolgt, muss dieser die im Vertrag vereinbarten Gebühren entrichten. Einmal betrifft das Gebühren der Fluggesellschaft anhand der Ticketbedingungen, zum anderen den Bedingungen des jeweiligen Reisebüros. Beispielsweise nehmen die meisten Online-Reisebüros für Stornierungen eine Gebühr von 50 bis 100 Euro.

Auch hier lohnt der Verweis auf den Anbieter Geld-für-Flug, bei dem Ihr Euer Ticket ohne den Umweg des Reisebüros zu gehen, zur Erstattung einreichen könnt. Oftmals könnt Ihr so eine größere Summe zurückerhalten, sofern Ihr das Ticket von Euch aus storniert. Wenn Ihr dagegen von einer Flugstreichung betroffen seid, solltet Ihr das jeweilige Reisebüro direkt kontaktieren und eine vollständige Erstattung ohne Gebühren verlangen.

Greifen diese Rechte auch bei einer Pauschalreise?

Grundsätzlich gibt es in Hinblick auf die Fluggastrechte-Verordnung keine gesonderten Bestimmungen für Pauschalreisen. Alle Rechte gelten bei einer solchen Reise analog zu Individualbuchungen. Dazu heißt es in der Verordnung:

(2) Absatz 1 Buchstabe a) gilt auch für Fluggäste, deren Flüge Bestandteil einer Pauschalreise sind, mit Ausnahme des Anspruchs auf Erstattung, sofern dieser sich aus der Richtlinie 90/314/EWG ergibt.

Die Ausnahme-Regelung bezieht sich auf diese Verordnung, in der wiederum konkret geregelt ist, dass Pauschalreisende generell im selben Fall einen Anspruch auf Erstattung haben. Wörtlich heißt es:

(6) Wenn der Verbraucher gemäß Absatz 5 vom Vertrag zurücktritt oder wenn der Veranstalter – gleich aus welchem Grund, ausgenommen Verschulden des Verbrauchers – die Reise vor dem vereinbarten Abreisetag storniert, hat der Verbraucher folgende Ansprüche:

a) Teilnahme an einer gleichwertigen oder höherwertigen anderen Pauschalreise, wenn der Veranstalter und/oder der Vermittler in der Lage ist, ihm eine solche anzubieten. Ist die angebotene Pauschalreise von geringerer Qualität, so erstattet der Veranstalter dem Verbraucher den Preisunterschied; oder

b) schnellstmögliche Erstattung aller von ihm aufgrund des Vertrages gezahlten Beträge.

Demnach sind Reisende im Rahmen einer Pauschalreise mindestens genauso gut geschützt wie Individualreisende im Sinne der neueren EU-Verordnung.

Fazit zur Rechtslage für Erstattungen

Die Situation rund um das Coronavirus und die Fluggastrechte ist aktuell sehr unübersichtlich. Die Leitlinien der Europäischen Kommission helfen zwar bei einer Interpretation, gleichzeitig sind diese aber nicht rechtsverbindlich – auch nicht in der Schweiz, wo die Rechtslage teilweise noch einmal anders interpretiert werden kann. Ebenfalls verwirrend ist, dass Airlines die Möglichkeit zur Erstattung meist nicht erwähnen oder ablehnen – dies ist nach Ansicht der Kommission und auch unserer Interpretation allerdings nicht möglich. Ihr solltet bei einer Stornierung seitens der Airline also weiterhin auf Euer Geld beharren, sofern Umbuchungen oder Gutscheine für Euch keine sinnvolle Option darstellen. Beachtet allerdings, dass diese Regeln nicht gelten, wenn Ihr selbst stornieren möchtet und der Flug noch stattfindet – dann sind die Kulanzangebote der Airline möglicherweise die bessere Wahl.

Autor

Moritz liebt nicht nur Reisen, sondern auch Luxushotels in aller Welt. Auf der Suche nach neuen Erlebnissen hat Moritz schon dutzende Airlines getestet und mehr als 100 Städte erkundet. Auf reisetopia lässt er Euch an seinen Erlebnissen & Tipps teilhaben!

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