Die Welt der Luftfahrt ist immer in Bewegung – auch was das Thema Catering angeht. British Airways ist es dabei nun gelungen, die Lufthansa Group schlecht aussehen zu lassen – ein ungewollter Marketing-Coup.
Nicht immer muss es einen direkten Zusammenhang zwischen zwei Meldungen geben, damit sie einander in einem anderen Licht erscheinen lassen. Da sind auf der einen Seite die Lufthansa und die Swiss die vor wenigen Monaten die Streichung des kostenlosen Caterings angekündigt haben – auch wegen der Folge des Coronavirus. Auf der anderen Seite steht British Airways, das vor wenigen Tagen eine Rückkehr des kostenlosen Caterings bekannt gegeben hat – ebenfalls wegen Corona. Lufthansa und Swiss stehen unter den sogenannten ‘Full Service’-Airlines auf einmal schlecht da, denn sie segeln gewissermassen in eine eigene Richtung.
Die Debatte rund um eine Tüte Chips
Das Thema Catering auf Kurz- und Mittelstreckenflügen sorgt seit Jahren für viel Emotion und scheint weltweit komplett anders geregelt. In der Economy Class gibt es etwa in Südamerika bei LATAM seit Jahren schon nichts mehr umsonst, in den USA wurde das kostenfreie Catering in der niedrigsten Klasse erst von den grossen Airlines abgeschafft und dann wieder eingeführt. In Asien gehört der Service zum Standard, in Australien ist dies bei den meisten Fluggesellschaften der Fall. In Europa – wo die Günstigfluggesellschaften besonders aggressiv auftreten – war die Tüte Chips genauso wie eine Flasche Wasser oft die letzte Bastion der Qualität für die grossen Fluggesellschaften mit staatlicher Vergangenheit, die heute gerne auch Netzwerkfluggesellschaften genannt werden. Das Angebot hat dabei mehr mit Emotion zu tun als mit Wert, denn wirklich wichtig ist der kleine Snack wohl den wenigsten und im Verhältnis zu einem Flugticket fallen auch die Preise an Bord kaum ins Gewicht.
Gleichzeitig allerdings gelingt Fluggesellschaften mit diesem Angebot eine Abgrenzung zu ihren Konkurrenten, die auch nicht allzu viel kostet. In Zeiten des Kostensparens rund um das Coronavirus erschien es dennoch als ein unternehmerisch kluger Weg, das Catering abzuschaffen, wie ich damals in einer umstrittenen Kolumne geschildert habe. Doch in der Aussendarstellung ist die Lufthansa damals trotzdem schlecht weggekommen, auch wegen einer scheinheiligen Begründung der Catering-Abschaffung – statt um Kosten ging es um Qualität und Auswahl sowie natürlich Kundenfeedback. Besonders bitter für die Lufthansa ist allerdings die Optik, denn British Airways geht nur wenige Monate später den entgegengesetzten Weg und lässt die Lufthansa wie eine Premium-Airline ohne einen Aspekt dastehen, der im Premium-Umfeld in Europa scheinbar (wieder) dazugehört.
Einsam unter den grossen Fluggesellschaften
Die Catering-Abschaffung per se – eine Flasche Wasser gibt es bei der Lufthansa immerhin auch in Zukunft, bei der Swiss bleibt sogar noch das Schöggeli – wird die Buchungsentscheidung der meisten Passagiere wohl nicht beeinflussen. Doch wenn es um Netzwerk-Fluggesellschaften in Europa geht, steht die Lufthansa auf einmal wie ein Aussätziger da. Trotz akuter Finanzprobleme hält Air France weiter am Catering an Bord fest, die Schwester KLM genauso. Bei Finnair und TAP Portugal gibt es ebenfalls Snack und Getränke kostenlos. Einzig British Airways und Iberia waren lange die “negativen” Ausnahmen unter den sogenannten Netzwerkairlines. Dazu gesellt sich mit SAS nur eine unrühmliche Ausnahme in Nordeuropa. Dass gerade British Airways jetzt das Blatt wieder einen kostenfreien Snack und Wasser anbietet, ist für die Lufthansa bitter, denn sie ist im Konzert der grossen Drei auf einmal am schlechtesten aufgestellt.
Das mag im ersten Moment noch nicht weiter problematisch sein, aber gerade die Lufthansa rühmt sich gleichzeitig als einzige Fünf-Sterne-Airline in Europa. Das gewünschte Premium-Image passt optisch schlichtweg schlecht zu dem, was die Fluggesellschaft ab März bietet. Dann ergibt sich die kuriose Situation, dass man von Frankfurt nach London mit British Airways einen kostenfreien Snack bekommt und bei der Lufthansa nichts mehr – genau andersherum als noch vor der Krise. Manch ein Passagier wird sich da ein wenig wundern, ob das am Ende auch einen Einfluss auf das Buchungsverhalten hat, lässt sich dagegen noch nicht absehen. Bitter ist die Entwicklung auch für die Swiss, die sich ebenfalls gerne als Premium-Airline sieht – und zukünftig genauso wie die Lufthansa anders als die Netzwerk-Konkurrenz in Europa ohne kostenfreien Snack an Bord daherkommt.
Ein Downgrade von United auf Lufthansa
Die vom Zeitpunkt für den Kranich unglückliche Ankündigung von British Airways sorgt dafür, dass die Lufthansa in Europa als besonders wenig spendabel dasteht. Relevant ist das auch mit Blick auf das Joint Venture über den Atlantik. Hier ergibt sich ebenfalls eine interessante Perspektive, denn beim SkyTeam Joint Venture ist bei Anschlussflügen in Europa fast immer ein kostenfreier Snack an Bord sichergestellt. Beim oneworld Joint Venture gilt das zumindest zukünftig bei Verbindungen über London und Helsinki. Beim Star Alliance Joint Venture dagegen gibt es bei Anschlussflügen ab sofort maximal noch eine Flasche Wasser, zumindest wenn man nicht mit Austrian Airlines oder Eurowings unterwegs ist.
Die Buchungsentscheidung wird auch das auf den ersten Blick nicht beeinflussen, doch es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass sich ein United-Flug auf einmal nach mehr Premium-Anspruch anfühlt als einer mit der Lufthansa. Die amerikanische Airline ist schon häufig durch wenig kundenfreundliche Änderungen aufgefallen und hatte das kostenfreie Catering in der Economy Class schon vor Jahren gestrichen, als das für die stolze Luftahnsa noch undenkbar gewesen wäre. Mittlerweile allerdings ist es zurück, sodass Passagiere beispielsweise auf einem Flug von Buffalo über Chicago und Frankfurt nach Warschau auf der Strecke vom Lufthansa-Hub in die polnische Hauptstadt den geringsten Service erhalten und dass obwohl sie den ersten Flug mit einer 3-Sterne-Airline machen und den letzten 5-Sterne-Airline – optisch sieht das nicht gut aus.
Fazit zum Marketing-Coup von British Airways
Dass British Airways-Passagiere zukünftig einen Müsliriegel oder eine Tüte Chips bekommen ist kein wahnsinnig grosser Sprung beim Passagier-Erlebnis. Gleichzeitig allerdings gelingt es der britischen Airline die Lufthansa schlecht dastehen zu lassen, denn in Zukunft sind die Lufthansa und Swiss beim kostenlosen Catering in der Economy Class der schwächste Spieler in der Riege der Premium-Fluggesellschaften. Für das Image als Premium-Fluggesellschaft tut das weh, denn wie viel Emotion eine Tüte Chips haben kann, hat die Diskussion schon vor Monaten gezeigt.