Die Corona-Krise ermöglichte die Erprobung des “Single European Sky”-Projekt. Weiter darüber hinaus ging es bisher aber noch nicht, weshalb sich die Airline-Branche über den schwachen Fortschritt beklagt.
Durch die aktuelle Corona-Krise war der Himmel über Europa nahezu komplett leer. Nur vereinzelt fanden sich einsame Flugzeuge, die im Rahmen von Rumpfflugplänen, Rückhol- und Versorgungsflügen weiterhin durch die Luft streiften. Die Flugsicherungsorganisation “CANSO” sah deshalb die Möglichkeit, ein lange gehegtes Projekt zu testen, wodurch den wenigen verbleibenden Flugzeugen über Europa direktere Routen zugeteilt wurden. Mittlerweile sieht die Situation am Himmel wieder anders aus: Mehr Flugzeuge sind auf den alten Routen wieder unterwegs. Der Airline-Branche reicht das nicht und kritisiert deshalb den bisherigen Fortschritt bei der Umsetzung des “Single European Sky”-Projekts, wie FVW berichtet.
Zehn Jahre vergebliches Warten
Das “Single European Sky”-Projekt soll zukünftig für mehr Nachhaltigkeit und Effizienz sorgen. Cockpit-Crews sollen die jeweils ideale und direkteste Flugroute zugewiesen bekommen. Dadurch sollen die Kosten, besonders in Form von Treibstoff, gesenkt und damit auch weniger Schadstoffe produziert werden, da die Flugzeuge durch die direkteren Routen teils deutlich kürzere Strecken fliegen müssen. Normalerweise fliegen diese von Wegpunkt zu Wegpunkt über verschiedene Luftstrassen und damit teils grosse Umwege im Vergleich zu einer direkten Route zum Ziel. CANSO und ihre Partner – wozu unter anderem die IATA und Eurocontrol gehören – versprechen sich davon auch eine Einsparung der CO₂-Emissionen in Höhe von bis zu zehn Prozent. In Ansätzen konnte das Projekt bereits zu Beginn der Corona-Pandemie getestet werden. Mehr ist jedoch nicht ermöglicht worden, weshalb die Airline-Branche die EU dafür kritisiert.
Wir sind bestürzt und frustriert über den anhaltenden Mangel an Fortschritten während der SES-Triloges. Die mangelnde Bereitschaft einiger Mitgliedstaaten, Kompromisse einzugehen und zur Reform unseres kostspieligen, unflexiblen und fragmentierten Systems in Europa beizutragen, ist äusserst beunruhigend. Der einheitliche europäische Luftraum ist eine kurzfristige und kostengünstige Möglichkeit, die Emissionen des Luftverkehrs zu reduzieren, und es ist eine Schande, dass dies aus dem politischen Fokus geraten ist.
Thomas Reynaert, Geschäftsführer von “Airlines for Europe” (A4E)
Das ist insofern signifikant, als sich die EU-Mitgliedsstaaten ebenfalls bereits auf eine Reform geeinigt haben. Allerdings wurden die Verhandlungen im Juni 2021 nicht dazu genutzt, Flugrouten zu verkürzen und die europaweite Koordinierung des Luftraums zu optimieren. Auch die Kritik seitens der Politik war damals schon gross. Nun schaltet sich der Verband A4E ein, zudem unter anderem die Lufthansa gehört. Dieser wirft der EU Unfähigkeit vor und kritisiert, dass die Airlines Single European Sky bereits vor zehn Jahren vorgelegt hätten. Reynaert fordert deshalb die EU-Verkehrsminister auf, den Fokus zu überdenken und mit einer einheitlichen Luftraumreform kurzfristig für eine Massnahme gegen den Klimawandel zu sorgen. Einige EU-Mitgliedstaaten sind laut A4E gegen die Reform, da sie die eigene nationale Souveränität und den Einfluss aufgeben müssten.
Effizientere und damit nachhaltigere Flugrouten sind ebenfalls Teil des EU-Klimapakets “Fit for 55“. Dabei geht es ganz allgemein gehalten um die Reduzierung der Treibhausemissionen um 55 Prozent bis 2030. Das neue Programm umfasst insgesamt zwölf Gesetzesvorschläge, die vor allem auch die europäische Wirtschaft in allen Zweigen zu massiven Änderungen anregt. Damit soll auch der CO₂-Preis erhöht, höhere Energiesteuern und neue Standards bei der Neuzulassung von Fahrzeugen eingeführt werden.
In Bezug auf den Luftverkehr soll im “Fit for 55”-Programm der Emissionshandel mit höheren CO₂-Preisen belastet werden sowie eine erhöhte Kerosinsteuer für innereuropäische Flüge enthalten sein. Darüber hinaus soll eine neue, schnell steigende Beimischungsquote für die teureren, nachhaltigen Flugkraftstoffe, die sogenannten Sustainable Aviation Fuels SAF, Teil des Massnahmenpakets sein.
Fazit zur Kritik an der Umsetzung des Single European Sky
Eigentlich dürfte den Airlines und der Luftfahrt im Allgemeinen, nach der Krise jedes Mittel zur Kostensenkung (mehr denn je) recht sein. Single European Sky wäre solch ein Mittel, dass die Dinge ausserdem vereinfachen und in diesem Zuge auch CO₂-Emissionen einsparen möchte. Theoretisch also eigentlich eine Win-win-Situation für (nahezu) alle Seiten. Während die Airline-Branche weiterhin auf die Umsetzung der Reform drängt, verliert die EU ihren Fokus. Die Kritik daran wird deshalb immer lauter, da sich mit dem “Single European Sky”-Projekt eine einfache Option gegen den Klimawandel bietet.