Im letzten Herbst war ich mit einem guten Freund eine Woche lang im Vereinigten Königreich unterwegs. Bei der Hinreise haben wir die angenehmste Art zu Reisen ausgewählt, nämlich ein Flug von Basel nach London Heathrow. Nach ein paar Tagen in London ging es dann für uns mit der Bahn weiter nach Liverpool. Da die Bahn in Grossbritannien meist sehr teuer ist, haben wir uns für den sehr beliebten Interrail-Pass entschieden. Nach zahlreichen Fussballspielen und einem Tagesausflug nach Manchester, stand unser bis dahin grösstes Reiseabenteuer an.

Zu Beginn hatten wir keine Ahnung, was da auf uns zukam…

Von Liverpool nach Bern über Land und Wasser

Unsere Reiseplanung sah vor, dass wir an einem Tag von Liverpool nach Bern reisen. Die ganze Reise sollte ausschliesslich über den Landweg und Wasserweg stattfinden. Unser Zeitplan an diesem Tag war durchaus sportlich. Bei der Fähre von Dover nach Calais haben wir, aus unserer Sicht, genug Zeit eingeplant, sollte etwas schief gehen. Unsere Reise startete kurz nach 5 Uhr morgens. Mit dem ersten Fernverkehrszug fuhren wir von Liverpool nach London. Die britischen Fernverkehrszüge sind in der zweiten Klasse durchaus komfortabel. Ich rate aber jedem, einen Sitzplatz zu reservieren.

Quelle: www.bbc.co.uk

Unser Zug kam, nach einer Fahrtzeit von etwas über zwei Stunden, pünktlich in London Euston an. Anschliessend fuhren wir mit der weltberühmten Tube zum zweiten grossen Londoner Bahnhof – der Victoria Station. Kurz nach 8 Uhr bestiegen wir den Regionalzug von London Victoria bis an die Küste nach Dover. Die Züge welche über diese Strecken fahren, sind mit unseren S-Bahn-Zügen zu vergleichen. Die Fahrt nach Dover betrug circa zwei Stunden. Als wir in Dover Priory ankamen, waren wir beide überrascht, wie pünktlich wir waren. Zu diesem Zeitpunkt zweifelten wir beide nicht, dass wir es bis Mitternacht nach Bern schaffen werden. Vom Bahnhof aus sind wir, bei schönstem britischen Wetter, ungefähr 20 Minuten in Richtung Hafen gelaufen. Dort angekommen ging die Suche nach dem Check In für Fussgänger los. Nachdem wir ein wenig umhergeirrt waren, haben wir schliesslich die, nennen wir es mal “Abfertigungshalle”, gefunden.

Der Fährhafen von Dover (Quelle: www.doverport.co.uk)

Wir haben uns vorgängig über die Ticketbeschaffung für die Fähre als Fussgänger informiert. Die Fahrkarten haben wir erst online gebucht, als wir sicher waren, dass wir diese Verbindung erwischen werden. Wenn Ihr diese Strecke einmal fahren wollt und mit dem Auto unterwegs seid, müsst Ihr die Fahrkarte bereits Monate im Voraus kaufen, da die Fähren regelmässig ausgebucht sind. Nach dem Boarden, dass ähnlich abläuft wie am Flughafen, haben wir es uns gemütlich gemacht. Wie an einem Flughafen, kann man auch auf den Fähren einen Zugang zu einer Lounge an Board buchen, wir haben jedoch darauf verzichtet, da in unserem Fall wenig Passagiere an Bord waren und es genügend Platz hatte. Die Fahrt von Dover nach Calais in Frankreich dauerte ungefähr 90 Minuten. So war zumindest der Plan…

Das Abenteuer beginnt

Beim Einlaufen in den Hafen von Calais deutete zuerst nichts darauf hin, dass wir unseren Reiseplan bald sprichwörtlich über Bord werfen konnten. Die Fähre dockte langsam und geschmeidig an die Pier ran. Plötzlich ertönte aus den Lautsprechern eine wichtige Durchsage. Da mein Französisch nicht gerade top ist, mussten wir auf die englische Durchsage warten. Als diese ertönte, dachte ich, dass wohl auch mein Englisch sackschwach ist. Da sagte die nette Dame doch tatsächlich: “Unser Kapitän muss das Schiff wenden und auf der anderen Seite andocken, da die Treppen für die Fussgänger sonst nicht heruntergelassen werden können”. Dieses Manöver dauerte dann nochmals ungefähr 30 Minuten.

Mit dem TGV ging es von Calais nach Paris

Wir waren immer noch guter Dinge, dass wir es bis nach Bern schaffen. Unseren Zug hatten wir längst verpasst, was dank dem Interrail Pass jedoch keine Rolle spielte, da wir uns einfach für eine spätere Verbindung entscheiden konnten. Im Fahrplan sahen wir jedoch, dass wir diese Verbindung zwingend erwischen müssen, ansonsten würde Paris Endstation bedeuten. Es gibt durchaus angenehmere Umstände, als kurz nach Mitternacht in Paris ein Hotel zu suchen, das bezahlbar ist. Als wir dann endlich die Fähre verlassen konnten, sind wir sofort in Richtung Taxistand gelaufen. Dort angekommen mussten wir mit Schrecken feststellen, dass kein einziges Taxi vor Ort war, welches uns an den TGV Bahnhof ausserhalb von Calais fahren konnte. Nachdem uns ein Mitarbeiter gesagt hatte, dass wir besser zu Fuss in die Stadt gehen und dort nach einem Taxi Ausschau halten sollen, wussten wir, dass Paris wohl die Endstation des Tages sein wird. Nach einem gut 30-minütigen Fussmarsch sind wir in der Stadt angekommen. Ein Taxi haben wir bis dahin vergeblich gesucht. Also gingen wir zur Touristeninformation. Die Dame am Schalter versprach uns ein Taxi in rund 10 Minuten. Nach einer halben Stunde Wartezeit kam unser Taxi endlich.

Im Zug nach Paris habe ich das Datenvolumen meines Handys aufgebraucht, um in Paris ein Hotel zu buchen. Da wir beide langsam aber sicher sehr müde waren, bezahlten wir ungefähr 160 Franken für ein Zimmer im Novotel Paris Gare de Lyon, welches sich, wie es der Name verrät, direkt beim Bahnhof befand. In Paris angekommen, gingen wir auf direktem Weg ins Hotel und liessen ein nächtliches Sightseeing sein. Am nächsten Morgen konnten wir dann endlich die letzte Etappe auf unserer Reise antreten. Nach rund 4 Stunden Speisewagen hatten wir es tatsächlich bis nach Bern geschafft.

Fazit zur Reise auf dem Land von Liverpool nach Bern

Frustration wegen dieser Reise? Ganz sicher nicht! Ich würde sofort wieder einmal eine solche Strecke auf dem Land- und Wasserweg zurücklegen. Doch dafür braucht es jede Menge Nerven und eine gesunde Portion Humor sollte etwas schief laufen, was auf einer derart langen Route und den verschiedenen Fortbewegungsmitteln fast unumgänglich ist. Ganz sicher werde ich früher oder später wieder einmal diesen Weg des Reisens auswählen um Europa und dessen Kulturen zu entdecken. Eines haben wir uns aber nach dieser Reise vorgenommen: Gerne würden wir den Kapitän dieser Fähre einmal auf einen Drink einladen.

Autor

Seit klein auf ist Mirco immer mal wieder irgendwo auf der Welt unterwegs. Sei es ein Roundtrip an der amerikanischen Westküste oder auch mal über den Landweg von Liverpool nach Bern innerhalb von 16 Stunden zu reisen. Auf reisetopia teilt Mirco seine Erlebnisse und Erfahrungen der verschiedenen Airlines und Hotelketten!

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