Die Lufthansa gehört zu den grössten und ältesten Fluggesellschaften weltweit, eine Fünf-Sterne-Airline ist sie aber nicht mehr. Kann sie ihrem Premium-Anspruch wieder gerecht werden? Dieser Frage wollen wir uns mit Euch in der neusten pro/contra-Ausgabe stellen!

In unserer pro/contra-Serie diskutieren zwei unserer Autoren im Artikel-Format über ein bestimmtes Thema. Die Themen reichen von aktuellen bis hin zu allgemeinen, wichtigen, oder einfach interessanten Themen, die uns – und hoffentlich auch Euch – derzeit bewegen. Jeder Autor übernimmt dabei entweder den Pro- oder den Contra-Part, je nachdem, welche Seite, beziehungsweise welche Meinung vertreten wird. Alex und Tobi greifen dabei wieder das Thema der Fünf-Sterne-Wertung für Fluggesellschaften auf, diskutieren in der heutigen Ausgabe aber darüber, ob die Lufthansa diesen Status wieder erlangen kann. Dabei nimmt heute, anders als beim letzten Mal, Tobi die Pro- und Alex die Contra-Rolle ein. Wir freuen uns auch auf Eure Meinungen – wie schätzt Ihr die Situation bei der Lufthansa ein? Diskutiert gern in den Kommentaren mit uns mit!

Alex und Tobi sind keine Fans der Skytrax-Bewertung und stellen diese auch infrage. Daher fungiert dieser Claim eher als Beschreibung. Stattdessen diskutieren die beiden Autoren, ob die Lufthansa ihren eigenen Premium-Anspruch nochmal gerecht werden kann. 

pro: Aus den Fehlern der Vergangenheit lernen

Die Lufthansa hat zurecht ihren fünften Stern im Skytrax-Ranking verloren. Doch kann die Airline ihrem eigenen Anspruch in Zukunft wieder gerecht werden und diese Auszeichnung als Fünf-Sterne-Airline zurückerlangen? Ich bin positiv gestimmt und glaube, dass die Airline schon bald wieder zurück zu alter Stärke finden kann. Dafür müssen jedoch einige Stellschrauben gedreht und Investitionen getätigt werden. Wo muss sich die Airline verbessern? In Puncto Bordprodukt, Service an Bord und an Borden sowie Eigenwahrnehmung. Ob es gelingen wird? Ich wiederhole mich gerne, ich glaube daran, denn die Lufthansa bringt auch einiges mit – wie beispielsweise eine breite und zahlungskräftige Kundschaft.

Dem ersten Kritikpunkt, einem in die Jahre gekommenen Bordprodukt, wird aktuell entgegengewirkt, zumindest auf der Langstrecke und das auch nur temporär. Mit neuem Fluggerät, das eigentlich für Philippine Airlines sowie Hainan Airlines bestimmt war, wertet die Lufthansa das Bordprodukt zumindest in ausgewählten Flugzeugtypen auf. Das kann jedoch nicht der Anspruch und der Massstab sein. 

Deshalb folgt mit der Allegris eine Produktoffensive, die es in sich hat. Leider überhäufen Kritiker auch dieses Bordprodukt bereits jetzt mit Kritik – nur warum? Das neue Bordprodukt stellt eine wesentliche Verbesserung gegenüber dem bestehenden Bordprodukt dar. Ich frage mich, was von der Lufthansa erwartet wird? Ein völlig neu konzipierter Sitz? Ich persönlich freue mich auf die neue Produktreihe und bin auf das Flugerlebnis gespannt. So – die Langstrecke ist damit abgetan – hier sehe ich genügend Potenzial, um wieder zu einer Fünf-Sterne-Airline zu wachsen. 

Leider müssen wir über das Bordprodukt auf der Kurz- und Mittelstrecke sprechen. Hier sehe ich ein grosses Verbesserungspotenzial, wenn die Lufthansa nicht den Anschluss verlieren möchte. Während Turkish Airlines in etlichen Schmalrumpfflugzeugen ein eigenes Inflight-Entertainment-System verbaut, sucht man ein solches in der Lufthansa Group vergeblich.

Über die Business Class möchte ich erst gar nicht sprechen. Der europäische Standard sollte ein anderer sein. Erneut führe ich Turkish Airlines mit ihrem wirklich guten Business Class-Produkt als Positivbeispiel an – ein solches Bordprodukt sollte auch für die Lufthansa der eigene Anspruch sein, möchte man selbst wieder eine Fünf-Sterne-Airline sein. Mit dieser Einsicht und mit hohen finanziellen Mitteln darf man die Lufthansa Business Class auf der Kurz- und Mittelstrecke auch getrost Business Class titulieren. Zudem erhält der Kunde auch wieder mehr für sein Geld, wenngleich eine Aufwertung des Bordproduktes steigende Flugpreise zur Folge haben könnte. 

Fernab des Bordproduktes muss sich auch einiges am Service, sowohl in der Luft als auch am Boden, ändern. Speziell in Bezug auf das Catering in der Luft sehe ich persönlich enormes Verbesserungspotenzial, ob in der Business Class oder in der Economy Class. Besonders das Angebot in der Business Class auf der Kurz- und Mittelstrecke muss überdacht werden. Hier reicht ein Blick zu Austrian Airlines, die meiner Meinung nach ein qualitativ deutlich besseres Catering in der Business Class anbieten. Aber auch am Boden muss sich einiges tun. Speziell in Puncto Kundenfreundlichkeit und der Servicequalität, weniger bezüglich des Lounge-Angebotes. 

Die zweifelhafte Kritik an den Lufthansa Lounges teile ich nämlich nicht. Was meine ich mit Kundenfreundlichkeit und der Servicequalität? Teilweise unfreundliche und weniger kompetente Mitarbeiter sowie lange Wartezeiten in der Hotline, kostenpflichtige Zusatzleistungen – all das erinnert weniger an die Lufthansa, sondern vielmehr an Fluggesellschaften à la Ryanair. Ein trauriger Vergleich, den die Lufthansa eigentlich nicht nötig hat. Hier sollte die Lufthansa mit intensiven Mitarbeiterschulungen einen Qualitätsstandard entwickeln, der einer Fünf-Sterne-Airline würdig ist. 

Zusammengefasst: Die Lufthansa hat durchaus das Potenzial, zukünftig wieder eine Fünf-Sterne-Airline sein zu können. Dafür bedarf es ein einheitliches und vor allem zeitgemässes Bordprodukt, sowohl auf der Kurz- und Mittelstrecke als auch auf der Langstrecke. Mit einer Qualitätsoffensive à la Allegris ist es allein jedoch nicht getan, dafür bedarf es in puncto Bordprodukt schon mehr. Go for it, liebe Lufthansa! Andere Airlines machen es Euch doch vor. Freundliches und kompetentes Personal in der Hotline und ein verbessertes Catering-Angebot sollten die nächsten Schwerpunkte der Airline sein.

contra: Allegris schön und gut, für eine Premium-Airline bedarf es aber mehr

Die Details – Die Lufthansa hat kürzlich ihr neues Bordprodukt Allegris vorgestellt. Damit führt die Airline nicht nur eine neue Business oder First Class ein, sondern eine gänzlich neue Kabine. Damit einher geht ein völlig neues Konzept. Die einzelnen Reiseklassen sollen dabei von den Passagieren individuell angepasst werden können, der absolute Luxus gipfelt dabei aber natürlich in der First Class. Seit vielen Jahren fliegt der Kranich mit der immer gleichen Kabinenkonfiguration durch die Welt. Änderungen gab es kaum bis gar keine, und wenn überhaupt nur in der Economy Class. Das ändert sich mit Allegris, die Kritik ist aber bereits jetzt schon laut. 

Die neue Business Class wurde bereits vor ein paar Jahren angekündigt und sollte erstmals mit der Boeing 777X in den Linienbetrieb gehen. Doch Boeing bekommt den Jet nicht in die Luft, und die Lufthansa hat das Nachsehen. Die Entscheidung: Dann belassen wir es eben bei der alten Business Class, bis irgendwann die Triple Seven auch ausgeliefert werden kann. Die Konsequenz: Das damals präsentierte Produkt scheint bereits vor Einführung aus der Zeit gefallen zu sein. Ein Paradebeispiel für deutsche Sichtweisen mag man denken, wenn man sich den Berliner Hauptstadtflughafen ansieht. Doch auch auf der anderen Seite fungiert der Flughafen als Beispiel: Denn trotz Verspätung funktioniert dieser sehr gut, sogar besser als gedacht.

 

Dennoch bleibt die Kritik hoch und es wäre ein leichtes, sich dieser anzuschliessen und damit zu sagen: “Die neue Business Class ist aus der Zeit gefallen und kann den Kranich nicht wieder an die Fünf-Sterne-Bewertung heranbringen”. Ganz ehrlich: Ich finde, die neue Business Class könnte noch immer ein Top-Produkt werden. Denn die Lufthansa präsentiert mit Allegris ein gänzlich selbst kreiertes Bordprodukt. Dabei können Passagiere aus den neuen Thronsitzen in der Mitte oder gar den neuen Suiten in der ersten Reihe der Business Class wählen. Sicherlich nur gegen Aufpreis, aber dieser könnte es wert sein. Damit bringt die Lufthansa Individualität in die Flotte, die sich lohnen könnte. Zwar fehlt es noch an Details zur Business und First Class, beide Produkte könnten aber den Markt zumindest mit anführen. Doch bevor ich die pro-Richtung abdrifte, zurück zu den Tatsachen.

Obwohl die Lufthansa damit Individualität in die Flotte bringt, zumindest was die Gestaltung der eigenen Buchung angeht, fehlt es an genau dieser an den meisten anderen Stellen, vor allem beim Soft-Product. Auch wenn der Service auf der Langstrecke konstant gut ist, fehlt es meiner Meinung nach der Airline vor allem an Details. Ja, die neuen Sitze erstrahlen im dunklen Blau, der Rest wirkt aber eben immer gleich. Weisse Wände, das immer gleiche Menü und die immer gleichen Getränke. Da können die wenigen Oktoberfest-Sonderflüge im Spätsommer beziehungsweise frühen Herbst auch nichts dran ändern. Warum die Lufthansa im First Class Terminal ausgerechnet gelbe Sammelenten verteilt, hat sich mir bis heute nicht erschlossen. 

Aber immerhin: Die Lufthansa kann auch die Details, davon fehlt es ihr aber am meisten. Während Airlines ihre eigenen Signature-Cocktails (sowohl alkoholisch als auch alkoholfrei) kredenzen, bekomme ich bei der Lufthansa nicht mehr als Cola, Fanta oder Sprite. Ein komfortabler Sitz fühlt sich erst so richtig heimisch an, wenn ich Kissen und Decken erhalte, in denen ich mich so richtig wohlfühle. Genau das fehlt der Lufthansa. Und während ich von mehr Individualität und Details spreche, steuert die Lufthansa auf ein anderes Problem hin, zumindest zeitweise.

Eine bunte Flotte – Denn während die Lufthansa Allegris vorstellte, wurde eigentlich der jüngste Flottenzuwachs in Form der Boeing 787-9 präsentiert. Damit erhält die Lufthansa bereits den dritten Business Class-Sitz innerhalb kürzester Zeit. Denn erst Anfang des Jahres flottete der Kranich kurzerhand einige Airbus A350 ein, die von Philippine Airlines übernommen wurden. Gemeinsam mit der eigenen Business Class verfügt die Lufthansa eben über drei verschiedene Produkte in der Business Class. Ab 2023 ändert sich das mit Allegris erneut, sodass die Lufthansa über vier verschiedene Sitze verfügt.

Und auch wenn die alte Business Class natürlich schon seit vielen Jahren aus der Zeit gefallen ist, so hatte sie einen Vorteil: Passagiere wussten genau, welcher Sitz sie in der Business oder First Class erwartet. Überraschungen gab es keine. Genau das kann im kommenden Jahr aber der Fall sein. Auch wenn die Lufthansa einen Grossteil der bereits bestehenden Flotte ebenfalls mit Allegris ausstatten wird, und einen anderen Teil endgültig ausflotten wird, wird bis dahin noch einiges an Zeit vergehen. Kurzfristige Wechsel der Fluggeräte könnten dann zur Folge haben, eben in der alten Business Class zu sitzen, anstatt den neuen eigentlich gebuchten Sitz testen zu dürfen. 

Kann die Lufthansa wieder eine Fünf-Sterne-Airline werden?

Beiden Autoren sind die aktuellen Umstände bewusst, und auch die Ecken und Kanten, die das aktuelle Produkt der Lufthansa sowie der Service mit sich bringen. Der Anspruch ist ein anderer als die derzeitige Qualität. Die Lufthansa will hier wieder ansetzen und ihrem eigenen Anspruch, aber auch den Bedürfnissen der Lufthansa gerecht werden. Ob ihr das gelingt? Während Tobi zuversichtlich in die Zukunft dank neuem Bordprodukt Allegris blicken kann, fehlt Alex ein wenig der Glaube daran. Selbst mit dem besten Bordprodukt fehlt es der Lufthansa an Detailgenauigkeit und Liebe zum Produkt. Das möchte keiner der Autoren den Angestellten absprechen, aber irgendwie fehlt es eben genau an den kleinen Details. Vielleicht kommen diese zurück mit der neuen Business und First Class – zu wünschen wäre es jedenfalls. 

Seid Ihr genauso zuversichtlich wie Tobi und denkt, dass die Lufthansa ihrem eigenen Premium-Anspruch nochmal gerecht werden kann? Teilt Eure Meinungen in den Kommentaren.

Autor

Seit Alex zum ersten Mal im Alter von 3 Jahren geflogen ist, wollte er das Flugzeug eigentlich nicht mehr verlassen. Bis heute riss seine Faszination fürs Fliegen nicht ab, weshalb er sich entschlossen hat, Euch an seinen Erfahrungen und Tipps teilhaben zu lassen.

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