Die letzten Wochen haben Fluggesellschaften weltweit in eine nie dagewesene Krise gestürzt. Doch was bedeutet die aktuelle Krise für die Zeit danach? Welche Airlines werden überhaupt überleben und wie wird sich die Branche verändern?

Förmlich zum Mantra der aktuellen Krise geworden ist die Aussage, dass die Welt nach dem Virus nicht mehr dieselbe sein wird wie davor. Was auch immer man davon allgemein halten mag, gilt dies für die Welt der Airlines unweigerlich. Noch nie hat die Krise eine vergleichbare Krise erlebt, noch nie hat die Branche so hohe Verluste in so kurzer Zeit gemacht und noch nie waren so viele Airlines zur selben Zeit von einer Pleite bedroht wie aktuell. Fest steht entsprechend auch schon jetzt, dass die Industrie sich nachhaltig verändern wird – für Kunden sind das nicht unbedingt gute Nachrichten.

Verstärkte Konsolidierung und der Untergang von Airlines

Es deutet sich aktuell bereits an, dass es bei Fluggesellschaften zu einer relevanten Konsolidierung kommen wird. Ob die Pleite von FlyBe, die Insolvenz in Eigenregie von Virgin Australia oder das vermeintliche Ende von South African Airways. Viele Airlines werden diese Krise entweder nicht überleben oder stark schrumpfen. Gleichzeitig wird es Übernahmen geben, die dazu führen, dass gerade in Europa am Ende weniger Fluggesellschaften existieren als vor der Krise. Schon nach der Wirtschaftskrise fusionierten zahlreiche Airlines, besonders in Nordamerika, aber auch in anderen Teilen der Welt.

Die neue Krise wird besonders ausserhalb von Nordamerika, wo die Zahl der Fluggesellschaften bereits stark geschrumpft sind, zu einer weiteren Konsolidierungswelle führen – in Europa hatte diese schon lange vor dem Coronavirus begonnen. In den nächsten Monaten werden sich diese vermeintlich noch deutlich verstärken. Die Übernahme von Air Europa durch IAG wird dabei nur eine von mehreren sein. Wie viele Fluggesellschaften nach der Krise entweder übernommen werden oder schlichtweg verschwinden, hängt allerdings auch von einem weiteren Faktor ab: staatlicher Intervention und Protektion. Ein gutes Beispiel ist hier Alitalia, denn der italienische Staat hat die Ausnahme von staatlicher Finanzierung seitens der EU genutzt, und die Airline wieder unter die eigenen Fittiche genommen.

Es könnte also durchaus sein, dass die meisten Airlines auch nach der Krise weiterleben und sogar eigenständig bleiben, zumindest dann, wenn sie vom Staat finanziert werden. Das wird allerdings keineswegs überall der Fall sein und wohl nur zu einer Verschiebung einer Konsolidierung führen. Schon jetzt ist klar: In Europa wird es nach der Krise weniger Airlines geben als zuvor, die grösseren Konzerne könnten davon schlussendlich profitieren. Auch in Asien und auf anderen Kontinenten wird sich ein ähnlicher Effekt zeigen, allerdings sollte man dabei im Blick haben, dass die Konsolidierung des Marktes ausserhalb von Europa generell schon deutlich weiter fortgeschritten ist.

Kurzfristig werden die Preise für Flugtickets sinken

Der Konsolidierung zum Trotz dürfen sich Passagiere nach der Krise sicherlich erst einmal auf günstigere Tickets freuen. Das klingt im ersten Moment paradox, denn gibt es weniger Fluggesellschaften auf dem Markt und sinkt das allgemeine Angebot, sollten die Preise eigentlich steigen. Das gilt besonders, weil wegen Hygienevorschriften die Organisation des Flugbetriebs vermutlich teurer wird – schon allein, weil teilweise Mittelsitze frei bleiben müssen und die Reinigung deutlich intensiviert wird. Auf Kostenseite steht dem aber eine sehr positive Entwicklung entgegen: Der Ölpreis ist so gering wie nie, wodurch die Kosten für Kerosin enorm sinken. Tatsächlich sollten Airlines so sogar einen Kostenvorteil haben, selbst wenn viele Plätze frei bleiben.

Das ist aber grundlegend nicht das wichtigste Argument für kurzfristig günstigere Tickets. Wichtiger ist die Dynamik des Marktes, denn die Unsicherheit wird bei allen Verbrauchern bleiben. Jetzt einen Flug für den Sommer buchen? Undenkbar. Geld vorzustrecken, das man maximal als Gutschein zurückerhält? Unvorstellbar. Die Angst vor einem erneuten Ausbruch und Rückschlägen sowie Grenzschliessungen wird viele Reisende davon abhalten, in den nächsten Monaten neue Trips zu buchen – selbst dann, wenn die Fluggesellschaften langsam wieder ihr Angebot hochfahren werden. Vermutlich wird es über Monate ein Überangebot geben, da die Airlines Flotten und Personal überhaupt nicht schnell genug den neuen Marktbedingungen anpassen können.

Kombiniert mit der Unsicherheit wird das dazu führen, dass die Fluggesellschaften mit besonderen Angeboten locken. Das merkt man schon jetzt an verschiedenen Angeboten für den Winter sowie den Start ins neue Jahr. Sobald es mehr Klarheit gibt, wird sich dieser Effekt vermutlich verstärken. Gerade in den Monaten nach der Krise darf man sich darauf freuen, dass Flüge günstiger werden und man auch die Business und First Class zu neuen Tiefstpreisen geniessen kann. Fraglich ist allerdings, wie lange dieser Effekt anhalten wird.

Langfristig werden Flugtickets teurer als vor der Krise

Die schöne neue Welt mit günstigen Flugtickets wird ohne Zweifel eine temporäre sein, wofür primär einmal die Kostenbasis spricht. Die Airlines können zwar temporär gezwungen sein, auch unrentabel zu fliegen, mittelfristig wird das Angebot aber der Nachfrage angepasst. Die meisten Fluggesellschaften reagieren schon jetzt mit Ausflottungen und Freistellungen von Personal entsprechend. Diese Anpassung wird noch weitergehen und dafür sorgen, dass die Flugpreise sich nach einer gewissen Spanne mit besonderen Angeboten wieder erholen. Dazu kommt der steigende Ölpreis, denn sobald die Wirtschaft wieder stärker hochgefahren wird, sollte auch Kerosin wieder deutlich teurer werden.

Dabei wird sich eine unangenehme Entwicklung für Flugpassagiere ergeben: Durch die Beschränkung des Angebots, Mehrkosten bei der Hygiene und steigenden Kerosinkosten müssen Airlines ihre Tickets für mehr Geld verkaufen. Gleichzeitig steigt die Nachfrage nach und nach immer weiter an, sodass die Fluggesellschaften auch die Möglichkeit haben, höhere Preise durchzusetzen. Das wird dazu führen, dass sich das neue Preisniveau vermutlich über dem alten einpendelt. Wann das genau passieren wird, lässt sich aktuell allerdings noch nicht wirklich absehen. Es könnte sich um Monate, aber auch um Jahre handeln. Abhängen wird die Entwicklung auch von der gesamten Wirtschaft, denn neben der Entwicklung auf der Angebotsseite wird auch die Nachfrage sich nur dann wieder nachhaltig positiv entwickeln, wenn die Arbeitslosigkeit sinkt und die Löhne steigen.

Ein absolut offener Faktor ist zudem eine komplette Veränderung des Reiseverhaltens. Zwar gehen Schätzungen von Experten nur von leichten Veränderungen bei Geschäftsreisen aus, aber schon 10 Prozent weniger Reisen dieser Art könnten für Airlines problematisch sein, da kurzfristig gebuchte Geschäftsreisen oft besonders viel Ertrag bringen. Wenn dieser Effekt wegfällt und der Anteil der Privatreisenden steigt, muss sich das Preisgefüge verändern. Dann würden Privatreisen zukünftig mehr bezahlen müssen. Auch das generelle Preisgefüge zwischen den Reiseklassen könnte sich weiter verändern. Die Business Class könnte preislich auf einem ähnlichen Niveau bleiben, die Economy Class teurer werden.

Loyalitätsprogramme bleiben für Fluggesellschaften wichtig

Sehr interessant werden die Effekte der Entwicklung auf Loyalitätsprogramme. Diese sind bei Fluggesellschaften ein ziemlicher Gewinnbringer – was allerdings auch im Accounting begründet liegt. Das werden sie auch in Zukunft sein, wobei unklar ist, was das genau für Kunden bedeuten wird. Hier wird sich vermeintlich ein ähnlicher kurzfristiger Effekt einstellen, wie bei den Preisen für Flugtickets. Um in den nächsten Monaten möglichst viel Nachfrage zu generieren, könnten Meilen günstiger verkauft oder vergeben werden (etwa über bestimmte Promotions). Gleichzeitig könnte die Einlösung von Meilen, zumindest Aktionsweise, günstiger werden. Vorstellbar ist zum Beispiel, dass es mehr Meilenschnäppchen gibt und mehr Plätze für die Buchung dieser zur Verfügung stehen.

Wir gehen deshalb davon aus, dass der Wert von Meilen für die kommenden Monate eher höher anzusetzen ist als zuvor. Ob das allerdings ein nachhaltiger Effekt ist, darf man anzweifeln. Schon nach der Finanzkrise hat sich gezeigt, dass Loyalität für wenige Jahre enorm belohnt wurde – Meilen haben eine echte Hochzeit erlebt. Doch sobald es den Airlines wieder besser geht, also die Phase von höheren Preisen und einer stärkeren Nachfrage beginnt, verlieren Loyalitätsprogramme wieder an Relevanz im Sinne der Generierung von zusätzlicher Nachfrage. Dann wird sich der Welt von Meilen wieder auf dem Stand von vor der Krise einpendeln oder sogar noch weiter fallen.

Interessanter ist allerdings die mittelfristige Entwicklung in puncto Status und Loyalität allgemein. Auch hier sollte es für Kunden kurzfristig einfacher werden dank verschiedenen Angeboten zu einem Status zu kommen oder diesen zu halten. Durch eine Veränderung des Marktes hin zu mehr Privat- und etwas weniger Geschäftsreisen allerdings könnten sich Loyalitätsprogramme nachhaltig verändern. Bislang wurden die Programme primär für loyale Geschäftskunden geschaffen. Zukünftig könnte die Bindung von Privatreisenden wichtiger werden. Kunden dürfen sich zweifelsfrei darauf freuen, dass Loyalität in Zukunft nicht nur weiter eine wichtige, sondern vermutlich sogar eine wichtigere Rolle einnimmt.

Erlebnis an Bord könnte sich komplett verändern

Sehr interessant ist auch ein Blick darauf, wie sich das Erlebnis an Bord verändert. Gerade hier scheiden sich die Geister, denn auf der einen Seite hört man, dass alles bleiben wird wie immer und auf der anderen Seite ist von einer ganz neuen Art des Reisens die Rede. In der Economy Class soll es möglicherweise neue Sitzkonzepte mit Plexiglasscheiben zwischen den Sitzen geben oder gar Konzepte, bei denen die Sitze so angeordnet sind, dass man nicht mehr direkt nebeneinander sitzt. Man darf allerdings bezweifeln, dass sich die Welt so grundlegend verändert. Für die Zeiten bis zu einer Impfung gegen das Coronavirus können temporäre Veränderungen dieser Art denkbar sein, langfristig aber schon aus Kostengründen wohl eher nicht.

Möglicherweise komplett verändern wird sich allerdings ein anderer Aspekt des Reise-Erlebnisses, der viele vermutlich schon zuvor gestört hat: Das ewige Drängeln auf engem Raum, etwa am Gate, beim Einsteigen und beim Aussteigen. Auf ganz engem Raum, um jeden Zentimter zu kämpfen war noch nie angenehm oder auch keineswegs sinnvoll – in Zukunft könnte dieser Aspekt zumindest klar eingedämmt werden. Beim Boarding und De-Boarding etwa durch ganz klare Regeln, wer wann aussteigen darf. Dies würde das Gedränge verhindern und hätte nicht nur aus medizinischer Sicht Vorteile. Vermutlich würde sich fast jeder Reisende freuen, wenn das Ein- und Aussteigen nicht mehr ganz so anstrengend ist und mit weniger engem Körperkontakt verbunden ist.

Komplett offen ist, ob sich in Hinblick auf viele andere Bereiche des Fliegens etwas verändert. Wird der Essensservice so bleiben wie er war und was passiert mit dem ausschweifenden Service mit viel Kontakt zu den Stewards und Stewardessen in der Business und First Class? Was ist mit dem Entertainment-Bildschirm, der zuvor von zahlreichen Passagieren angefasst wurde? All das lässt sich aktuell noch nicht wirklich absehen, aber es fehlt bislang mit Ausnahme einer verstärkten Reinigung und Zwischenlösungen wie abgepackten Mahlzeiten sowie reinen Snacks an wirklichen Alternativen. Gerade wenn die akuten Gefahren der Virusausbreitung gebannt sind, etwa durch einen Impfstoff, könnte zumindest in dieser Hinsicht also das meiste wieder “wie immer” werden.

Eine Revolution ist natürlich immer möglich, aktuell allerdings fehlt es an kreativen Vorschlägen, die auch in Hinblick auf die möglichen Kosten sinnvoll sind. Dazu kommt: Solange das Coronavirus und dessen Folgen als ein temporäres Problem wahrgenommen werden, ist das Interesse an nachhaltigen und langfristigen Veränderungen vermutlich nicht allzu gross.

Die First Class verschwindet bei den meisten Airlines

Eine weitere Folge des Coronavirus wird vermutlich sein, dass die First Class bei immer mehr Fluggesellschaften verschwindet. Auch dieser Effekt hatte sich schon zuvor gezeigt, weil der Markt für dieses Produkt schlichtweg deutlich kleiner geworden ist. Dieser Effekt wird sich nach der Krise mit großer Sicherheit fortsetzen. Bei nordamerikanischen Airlines könnte die First Class auf der Langstrecke komplett wegfallen (hier bietet nur noch United ein entsprechendes Produkt), bei europäischen Airlines wird das Angebot noch einmal schrumpfen. Die Lufthansa hat hier bereits den Anfang gemacht und durch Ausflottungen fast die Hälfte aller First Class Sitze bis auf Weiteres und vermutlich auch langfristig vom Markt genommen.

Ähnliche Schritte sind auch bei anderen Airlines zu erwarten, gerade wenn ältere und größere Maschinen aus der Flotte verschwinden. Natürlich wird die First Class in den nächsten Jahren nicht auf einmal komplett verschwinden, aber der Rückgang der Zahl der Sitze wird immer grösser werden. Es ist etwa kaum vorstellbar, dass die Swiss zukünftig noch in allen Maschinen auf eine First Class setzen wird und auch bei Airlines wie Emirates und Singapore Airlines wird der Anteil von First Class Sitzen in den nächsten Jahren weiter abnehmen. Ob es je wieder eine wirklich grosse Nachfrage für die höchste Reiseklasse geben wird, darf man spätestens nach dieser Krise sowieso infrage stellen.

Bedeutet das im Umkehrschluss, dass die Business Class bei den meisten Airlines wächst? Vermutlich nicht unbedingt, denn durch den Rückgang bei der Zahl der Geschäftsreisen und der Preissensibilität aufgrund der Krisenfolgen werden auch hier die Erträge schrumpfen. Zumindest kurzfristig wird also wohl trotz des Rückgangs der Nachfrage für Sitze in der First Class auch die Zahl der Business Class Sitze insgesamt etwas zurückgehen. Mittelfristig dürfte die Klasse allerdings nicht allzu sehr an Bedeutung verlieren. Denkbar ist allerdings, dass zumindest in den nächsten Jahren die Premium Economy Class einen Teil des Marktes der Business Class übernimmt – diese Reiseklasse könnte nach der Krise durch steigende Nachfrage aus beiden Richtungen wachsen.

Fazit zu den Folgen des Coronavirus für Fluggesellschaften

Die Airlinebranche wird vom Coronavirus so stark getroffen wie keine andere Industrie, entsprechend werden die Folgen bei Fluggesellschaften auch besonders stark zu spüren sein. Wird sich deswegen nachhaltig alles verändern? Vermutlich nicht, aber zumindest im Detail werden Prozesse grundlegend verändert – vom Service bis hin zum Boarding-Prozess. Klar ist aber auch: Nicht alle Fluggesellschaften überleben diese Krise und trotz kurzfristig niedrigerer Preise für Passagiere, wird das Fliegen in Zukunft mit grosser Sicherheit eher teurer als günstiger.

Autorin

Stella war schon als Kind am liebsten auf Reisen - das hat sich bis heute nicht geändert. Sie fühlt sich überall auf der Welt zu Hause und zeigt euch so jeden Tag spannende Einblicke in das Thema Reisen!

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