Was passiert mit der zweitgrössten Fluggesellschaft Condor? Diese Frage wird aktuell unter anderem im Deutschen Bundeswirtschaftsministerium geklärt. Leider stehen die Chancen für Condor aber alles andere als gut.

Bei Condor gibt man sich am Tag der Thomas Cook Insolvenz selbstbewusst, auch wenn man über den Veranstalter und seine Töchter wie Neckermann gebuchten Kunden die Beförderung ins Ausland (zurückfliegen dürfen sie noch) verweigert – oder verweigern muss, wie das Unternehmen sagt. Doch allen positiven Äusserungen zum Trotz: So wichtig realistisch erscheint eine Zukunft von Condor nicht, auch wenn die Airline bei der Deutschen Bundesregierung einen Kredit angefragt hat. Im Raum steht eine Summe im niedrigen dreistelligen Millionenbereich.

Positive Geschäftszahlen von Condor sind eine Momentaufnahme

Bei Condor macht man gewissermassen seit Wochen eine gute Miene zum bösen Spiel. Mit der Pleite der Muttergesellschaft habe man nur unmittelbar zu tun, hört man zwischen den Zeilen. Man selbst würde profitabel arbeiten und habe gute Geschäftszahlen, heisst es von der Airline. Dies ist auch durchaus korrekt, denn anders als etwa die über Jahre chronisch defizitäre airberlin arbeitet Condor im nicht ganz einfachen nahezu rein touristischen Geschäft profitabel. Doch dabei gilt es einen Faktor nicht zu übersehen: Condor arbeitet eben wegen der Mutter Thomas Cook und deren enormen Veranstalter-Geschäft in Deutschland profitabel.

Bis zuletzt lag der Anteil des sogenannten Veranstalter-Geschäfts, also Buchungen über Anbieter wie eben Thomas Cook oder Neckermann, bei mehr als 50 Prozent der Passagiere. Das heisst konkret: Condor hat weniger als die Hälfte aller Tickets als Einzelleistung verkauft. Nun hat Condor selbstverständlich nicht nur im eigenen Haus verkauft, aber man kann davon ausgehen, dass mindestens ein Drittel der bei Condor gebuchten Tickets auf Pauschalreisen von Thomas Cook oder Töchtern wie Neckermann verkauft wurden. Dies wird für die Airline zu einem doppelten Problem, denn zum einen bleiben erwartete Erträge durch bereits gebuchte Reisen teilweise aus, zum anderen erscheint fraglich, wie die Airline zukünftig ihre Maschinen füllen möchte.

Die positiven Geschäftszahlen, zumal diese nun auch nicht vor grossen Gewinnen strotzen, erscheinen hier schnell in einem ganz anderen Licht – schon mit dem Ausfall der Thomas Cook-Zahlungen für aktuelle und zukünftige Reisen rutscht Condor ohne Zweifel in diesem Jahr tief in die roten Zahlen, was insofern natürlich nicht überraschend kommt. Doch kaum ein Experte glaubt, dass Condor ohne den bislang wichtigsten Abnehmer von Kunden eine positive Fortführungstendenz hat. Die entscheidende Frage ist: Wo sollen die Kunden zukünftig herkommen? Dass Direktbuchungen und Buchungen über andere Veranstalter den Kundenschwund von Thomas Cook ausgleichen erscheint wie Wunschdenken.

Dazu kommt ein weiteres Problem: Condor bekommt mit der Pleite ein enormes Image-Problem. Selbst wenn die Airline gerettet wird, werden sowohl Passagiere als auch Veranstalter und Reisebüros zwei Mal überlegen, ob sie noch Tickets bei der Airline buchen. Die Buchungszahlen werden also so und so rückläufig sein – und dass in einer Phase, in der die Airline schon ihren grössten Kunden verliert.

Die Werte von Condor sind nicht mit airberlin vergleichbar

Dazu kommt ein weiteres grosses Problem von Condor: Die geringere Relevanz von Slots und die veraltete Flotte. Die Airline wurde in den letzten Monaten gemeinsam mit ihren Schwestern in Nordeuropa sowie Grossbritannien zum Verkauf angeboten – nur zugreifen wollte niemand. Ob Tui, Lufthansa oder auch andere Konzerne, nach einem Blick in die Bücher haben bislang alle potenziellen Käufer abgewunken. Der Grund dürfte nicht nur im zu hohen geforderten Kaufpreis von Thomas Cook gelegen haben, sondern vielmehr auch an der Situation der Airlines. Bei Condor sind die Zahlen zwar grün, die Zukunftsaussichten allerdings sind weit weniger positiv – auch unabhängig von der Thomas Cook Pleite.

Das liegt zum einen an der Flotte der Airline. Diese ist mittlerweile im Schnitt fast 20 Jahre alt und gehört damit in Europa zu den ältesten unter den grösseren Fluggesellschaften. Dies ist aber noch nicht einmal das Kernproblem, vielmehr fehlt es auch an der Kompatibilität mit anderen Airlines. Condor hat insgesamt 15 Boeing 757 und 16 Boeing 767 in der Flotte. Diese Maschinen spielen zwar bei einigen US-Airlines wie Delta noch eine Rolle, in Europa gibt es aber kaum mehr einen Betreiber dieser Typen ausserhalb der Thomas Cook-Gruppe. Gerade in Zeiten, in denen die Homogenität einer Flotte für viele Airlines entscheidend ist, um Wartungskosten zu sparen, erscheinen die Flugzeuge als kein relevanter Wert für Condor.

Eine Ausnahme hiervon stellen die knapp 20 Maschinen von den Typen Airbus A320 und Airbus A321 dar, die zum Beispiel gut in die Flotte der Lufthansa passen würden. Doch wenn schon nur die Hälfte der Flotte für eine andere Airline interessant ist und der Rest zudem enorm teuer in der Wartung und zusätzlich auch noch anfällig für Reparaturen, dann erscheint das gesamte Unternehmen schon signifikant weniger attraktiv.

Zum anderen kommt bei Condor aber noch ein zweites Problem dazu: Die Pleite von airberlin war mit zahlreichen vakanten Slots zu wichtigen Start- und Landezeiten an wichtigen Hubs verbunden. Dabei hatte airberlin sogar gleich zahlreiche attraktive Slots verwaltet, nicht nur an wichtigen deutschen Flughäfen wie München, Düsseldorf, Hamburg und Frankfurt, sondern auch an vielen internationalen Zielen, etwa auch an den US-Flughäfen in New York, Miami und Los Angeles. All diese Slots waren für andere Gesellschaften ein durchaus relevanter Wert, weswegen eine Übernahme und ein Erhalt von Verbindungen (wodurch die Slots nicht neu vergeben werden) für eine Airline wie Lufthansa so attraktiv und am Ende wohl auch ursächlich für den Übernahmeversuch war.

Bei Condor sieht das dagegen ganz anders aus: Zwar hat die Airline auch einige interessante Slots an grossen deutschen Flughäfen, besonders in Frankfurt. Doch damit hört es dann auch schnell auf, Condor fliegt primär Urlaubsziele an, bei denen die Slot-Beschränkungen nicht allzu gravierend sind und operiert die meisten Routen zudem zu Tageszeiten, die zumindest nicht mit den allerwichtigsten Slots korrespondieren. Auch bei den Langstrecken-Destinationen von Condor halten sich die wertvollen Slots in Grenzen, wodurch die Airline schlichtweg in einer anderen Situation ist als airberlin.

Der Zeitpunkt spricht gegen eine Hilfe für Condor

Natürlich ist all das nicht unbedingt ein zwingendes Argument dafür, dass Condor definitiv untergeht. Gleichzeitig allerdings muss man realistisch sagen: Viele gute Argumente für einen Hilfskredit seitens der deutschen Bundesregierung gibt es nicht. Dass Condor diesen zurückzahlen kann, erscheint aktuell ungewiss, denn die gesamten Werte der Airline sind nicht annähernd so hoch wie die der airberlin. Gegen Condor spielt auch der Zeitpunkt: Während airberlin am 15. August Insolvenz anmelden musste, trifft es Condor am 23. September. Das erscheint auf den ersten Blick nicht wie ein grosser Unterschied, aber aus rein politischer Sicht ist dieser eben doch enorm.

Waren am 15. August noch zahlreiche Urlauber mit airberlin unterwegs – betroffen waren mittelbar oder unmittelbar Millionen – sind die Sommerferien mittlerweile vorbei. Bei Condor gibt es zwar auch einige hunderttausend Betroffene, aus dem Ausland zurückgeholt müssen aktuell allerdings nur einige zehntausend Touristen. Das mag hart klingen, aber rein politisch gedacht ist der Schaden durch eine Pleite von Condor schlichtweg weniger gross. Und eines darf man zudem nicht vergessen: Am 24. September 2017 war Bundestagswahl in Deutschland – und damit etwas mehr als einen Monat nach der airberlin-Pleite. Keine Hilfe seitens der Politik hätte sich wohl auch an den Wahlurnen gezeigt. Diese Gefahr gibt es dieses Mal nicht, wodurch der Druck zu helfen schlichtweg geringer ist.

Wenngleich man Condor nur das Beste wünschen mag, spricht politisch wenig für eine Hilfe der Airline. Gerade eine Fluggesellschaft retten nachdem vor wenigen Tagen des Klimapaket beschlossen wurde, bei dem auch eine Reduzierung der Flüge als eines der wichtigsten Argumente vorgetragen wurde? Das passt nicht zusammen. Das Timing der Thomas Cook Pleite könnte nicht unpassender sein, denn aus politischer Perspektive gibt es einfach zu wenige Gründe für eine Rettung – besonders weil eine Rückzahlung noch ungewisser erscheint als damals bei airberlin.

Solidarität und Ausweglosigkeit als Hoffnungsschimmer

Es spricht nicht unbedingt für die Situation bei Condor, dass der Hoffnungsschimmer für die Airline im Prinzip nur noch einem Argument liegt: Ausweglosigkeit. Es wird darüber spekuliert, dass die grössten Reiseveranstalter trotz des möglichen Image-Problems auch weiterhin hinter Condor stehen und dabei helfen, die wegfallenden Buchungen durch Thomas Cook-Buchungen aufzufangen. Dies erscheint im ersten Moment kurios, war Condor doch bis zuletzt die Airline aus dem Hause der direkten Konkurrenz – doch die Situation ist vertrackt.

Auf der einen Seite ist der Wegfall der Konkurrenz für Reiseveranstalter wie FTI, Dertour oder auch Tui natürlich positiv. Gleichzeitig ist Condor der letzte verbleibende ernsthafte Konkurrenz der Lufthansa und deren Tochter Eurowings. Wenn Condor in die Insolvenz geht, haben die Reiseveranstalter ein doppeltes Problem: Sie müssen ihren Kunden Alternativen anbieten, was wiederum sehr teuer werden könnte, denn dass die Veranstalter in einem solchen Szenario das Geld aus der Insolvenzmasse zurückbekommen würden, erscheint enorm unwahrscheinlich. Zudem gibt es wohl schlichtweg nicht die notwendigen Kapazitäten, um betroffene Kunden umzubuchen.

Schlimmer aber könnte für die Veranstalter ein anderes Problem werden: Fällt nach airberlin und Germania auch noch Condor weg, gibt es im deutschsprachigen Raum nur noch zwei relevante Fluggesellschaften für Flüge zur Urlaubsdestinationen: TUIfly und Eurowings. Dabei ist die Airline von TUI schon selbst so klein, dass sie eigentlich kaum als relevanter Konkurrent von Eurowings in Frage kommt. Dazu gibt es auf der Langstrecke dann sogar nur noch das Angebot von Eurowings. Dadurch entsteht ein Monopol mit dem entsprechenden Preisdruck.

So kommt es zu der kuriosen Situation, dass die Konkurrenten von Thomas Cook am Ende zu einem Rettungsanker der Thomas Cook-Airline Condor werden, weil sie ohne diese nicht können und selbst zu viel verlieren würden, wenn Condor in die Insolvenz rutscht. Eine komplette Unterstützung von Condor durch Buchungsversprechen und möglicherweise sogar finanzielle Hilfen allerdings wäre ein teures Risiko – ob die Veranstalter bereit sind dieses einzugehen, darf man in Frage stellen. Denn: Sollte am Ende dann doch die Lufthansa nach Condor greifen, würden die Veranstalter genauso dastehen wie bei einer Condor-Insolvenz und hätten dabei möglicherweise noch viel Geld verloren.

Fazit zu den Chancen einer Rettung von Condor

Condor ist so eng mit der deutschen Luftfahrtgeschichte verbunden wie nur wenige andere Airlines. Am Beispiel von airberlin und einigen US-Airlines zeigt sich aber auch gut: Vor einem teilweise schnellen Tod rettet einen auch ein grosser Name mit viel historischer Bedeutung nicht. So spricht aktuell leider wenig für Condor, denn wenn keine politische Not vorliegt und die Werte der Airline eine Rückzahlung unwahrscheinlich machen, bleibt nur noch das Prinzip Hoffnung. Man mag Condor zwar eine Zukunft wünschen, doch die traurige Realität scheint eine andere zu sein.

Autor

Moritz liebt nicht nur Reisen, sondern auch Luxushotels in aller Welt. Auf der Suche nach neuen Erlebnissen hat Moritz schon dutzende Airlines getestet und mehr als 100 Städte erkundet. Auf reisetopia lässt er Euch an seinen Erlebnissen & Tipps teilhaben!

Fragen? In der reisetopia Club Lounge auf Facebook beantworten wir Eure Fragen.